Nachruf:Der Boxer, der Robert De Niro trainierte

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Jake LaMotta (l.) bei einem Kampf gegen Marcel Cerdan im Juni 1949 (Foto: dpa)

Jake LaMotta war im Ring ein Kämpfer mit Kinn aus Titan, um ihn rankten sich auch sonst epische Geschichten. Nun ist der amerikanische Preisboxer im Alter von 95 Jahren gestorben.

Von Holger Gertz

Ein Wunder ist allein schon die Tatsache, dass der Preisboxer Giacobbe "Jake" LaMotta 95 Jahre alt geworden ist. Genausogut hätte ein Gegner ihn vorher erschlagen, ein Unterweltler ihn erschießen oder eine Frau ihn vergiften können. Jake - so nannten ihn alle - hat alles dafür getan, früh erledigt zu werden. Deals mit der Mafia, Knast wegen eines Delikts, für das die Amerikaner den putzigen Begriff pimping im Sprachbaukasten haben: Zuhälterei.

LaMotta war ein Gossenjunge aus der Bronx, geboren 1922, sein Lebensweg wurde ausgeleuchtet von Blau- und Rotlicht. Nicht immer war klar, was er tatsächlich oder nur mutmaßlich verbrochen hatte. Aber alles passte am Ende in die epische Geschichte seines Lebens, alles ergänzte sich. Denn die Abgründe jenseits des Boxrings schienen die Geschehnisse darin erklären zu können. Jake LaMotta, Weltmeister im Mittelgewicht, war ein Boxer, der jahrelang glaubte, jemanden getötet zu haben. Und die Schläge, die er empfing, kamen ihm vor wie die gerechte Strafe. Die ganz große Erzählung, natürlich: Der Faustkampf als Selbstbestrafung, der Boxer sühnt im Ring eine Schuld.

Er war ein Steher, Kinn aus Titan. Er konnte einstecken. Jake LaMotta wurde Champion im Sommer 1949, er schlug den Franzosen Marcel Cerdan, auch ein Mann mit einer speziellen Biografie. Cerdan war liiert mit der Chanson-Sängerin Edith Piaf. Zum Revanchekampf kam es nicht: Marcel Cerdan starb im Oktober 1949, bei einem Flugzeugabsturz am Monte Redondo.

Sein Ruhm und Nachruhm speist sich viel mehr aus dem großen Film Raging Bull

Jake LaMotta kämpfte weiter, unter anderem kämpfte er sechsmal gegen Sugar Ray Robinson und verlor fünfmal. Nein, zu den größten Boxern aller Zeiten gehörte LaMotta nicht, allerdings sind von ihm ein paar Ali-hafte Zitate überliefert. Zur Kampfbilanz gegen Sugar Ray, dem Namen nach ein Zuckerjunge: "Ich habe so oft gegen ihn geboxt - ein Wunder, dass ich dabei kein Diabetiker geworden bin."

1990 wurde er in die "Boxing Hall of Fame" aufgenommen, aber sein Ruhm und Nachruhm speist sich viel mehr aus dem großen Film Raging Bull. Eine Philosophie über Leben und Überleben, über Verzweiflung und Verschlagenheit. Robert De Niro als junger LaMotta und später als verfressener Alter. Sie haben zusammen trainiert, LaMotta als Coach, und am Ende hatte De Niro alles so drauf, dass er selbst als Profi hätte anfangen können. Heißt es.

Ohne De Niro hätte es den Film nicht gegeben. Eigentlich sei doch dieser LaMotta nur eine Kakerlake, a cockroach, hatten andere aus dem Filmteam gesagt. Worauf De Niro, der die Biografie des Boxers gelesen hatte, sehr leise gesagt haben soll: "He is not a cockroach."

1998 sind zwei Söhne LaMottas gestorben, einer an Krebs, einer beim Absturz der Swissair 111. Der alte Jake war erledigt, dann hat er weitergekämpft. Er konnte einstecken. 2014 heiratete er, zum siebten und letzten Mal.

Am Dienstag ist Giacobbe LaMotta in Florida gestorben.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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