Premier League:Stöpsel im Ohr

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Liverpool gegen Everton - Klopp (l.) gegen Allardyce: Ein Spiel, das die Premier League in Atem hält. (Foto: Paul Ellis/AFP)

Das Derby zwischen Liverpool und Everton ist auch das Duell zweier konträrer Trainer: Sam Allardyce ist der Hype um ausländische Übungsleiter suspekt, und er lässt vor allem keine Gelegenheit aus, gegen Jürgen Klopp zu sticheln.

Von Sven Haist, Liverpool

Vor einer Woche stellte Sam Allardyce einen Rekord auf. Er begann seine Arbeit beim FC Everton und hat nun als erster Trainer in England bei sieben verschiedenen Klubs in der Premier League gearbeitet. Mit sechs verschiedenen Klubs ist Allardyce jeweils nicht abgestiegen, das ist die Kernkompetenz des zwischenzeitlichen englischen Nationaltrainers. Doch an diesem Wochenende geht es auf der Insel mal wieder eher darum, was Allardyce nicht kann. Er selbst erklärte sich das einmal mit seinem zu britisch klingenden Nachnamen. Aus seiner Sicht werden nämlich die ausländischen Coaches in England immerzu bevorzugt behandelt.

An diesem Sonntag trifft Allardyce im Stadtderby auf den FC Liverpool und Trainer Jürgen Klopp. Allardyce gegen Klopp, das steht, auch weil beide derart polarisieren, stellvertretend für das Duell englischer gegen ausländische Trainer. Der aktuelle Stand in der Liga weist acht britische Trainer aus, die jeweils Vereinen der unteren Tabellenhälfte angehören. (Sean Dyche vom FC Burnley ist die einzige Ausnahme.) Und Allardyce, "Big Sam" aus Dudley in den West Midlands, scheint das besonders zu missfallen.

Nur etwas mehr als zwei Monate hatte es nach Klopps Ankunft in England gedauert, bis es zum ersten Mal zwischen Allardyce und Klopp gekracht hatte. In einer Pressekonferenz bezeichnete Allardyce, damals bei Sunderland tätig, Klopp als einen "weichen Deutschen", weil der nach einem rüden Foul einen Platzverweis gefordert hatte. Dem alteingesessenen Allardyce schien es gar nicht zu gefallen, dass Klopp auf Anhieb zum Liebling der Fans und der Medien aufstieg, und noch dazu einen jähen Hype auslöste mit einem Spielstil, den man auf der Insel in dieser Form bis dahin nicht gekannt hatte.

Liverpools bisher letzte Heimniederlage? Gegen Sam Allardyce

Umso genüsslicher kostete Allardyce den Erfolg gegen Klopp im April 2017 aus, bei dem er, inzwischen bei Crystal Palace, mit 1:0 an der Anfield Road gewann. In seiner typischen Manier ließ Allardyce nach dem Spiel jeden wissen, wie er mit seiner abstiegsgefährdeten Mannschaft den Favoriten taktisch ausgeguckt habe. "Immer wieder haben wir Liverpools Schwächen offengelegt. Bei Ecken sind sie ziemlich schwach. Da hatte Liverpool bereits sechs Tore in dieser Saison kassiert", erklärte Allardyce: "Jetzt sind es sieben."

Tatsächlich hat dieser Coup seine Wirkung bis in die Gegenwart gehalten, weil seitdem kein Verein in Liverpool mehr drei Punkte geholt hat. Der FC Everton wartet gar schon seit dem Jahr 1999 auf einen Sieg beim Rivalen. Dem gewieften Allardyce kommt das stürmische Auftreten der Reds generell entgegen. Im stetigen Kampf um den Klassenverbleib weiß er, was es braucht, um aus einer dichten Abwehr heraus zu kontern.

Um die These vom Kulturkampf zu untermauern, hat sich Allardyce, 63, die erfahrenen Assistenten Craig Shakespeare und Sammy Lee an seine Seite geholt, was das Trainerteam Evertons zu einem der ältesten in der Liga macht. Und als würde er allen unbedingt zeigen wollen, dass er trotzdem mit modernen Mitteln operieren kann, coachte Allardyce bei seinem Debüt am Seitenrand mit einem Stöpsel im Ohr, der ihn per Funk mit seiner Belegschaft verband.

Über einen sechsten Platz kam Allardyce noch nie hinaus

In Everton hat Allardyce nun einen ambitionierten Klub gefunden, der vor der Saison sogar insgeheim in die Phalanx der Spitzengruppe eindringen wollte. Momentan kämpft sich der Verein nach der Demission des niederländischen Coaches Ronald Koeman im Herbst durchs Tabellen-Mittelfeld. Immerhin sind die Perspektiven hier besser für Allardyce, eine Großtat zu vollbringen als bei Palace, seinem vergangenen Engagement.

Einmal hätte es ihm ja durchaus gelingen können, seine beste Platzierung im Endklassement der Premier League - ein sechster Platz mit Bolton - zu verbessern. In der Saison 2014/15 stand West Ham unter seiner Leitung an Weihnachten auf Rang vier, was zur Champions-League-Qualifikation berechtigt hätte. Statt am Boxing Day beim Tabellenführer FC Chelsea auf Angriff zu gehen, schonte Allardyce jedoch die besten Spieler für die nächste Partie gegen den FC Arsenal. Letztlich gingen beiden Spiele verloren - und West Ham stürzte am Saisonende wieder dorthin ab, wo Sam Allardyce gemeinhin zuhause ist: in der unteren Tabellenhälfte.

© SZ vom 10.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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