Hockey:Einsame Insel

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Sie machen es auch den Favoriten schwer: Hier geht Münchens Nike Beckhaus (links) gegen Sonja Zimmermann vom Mannheimer HC in den Zweikampf. (Foto: Oliver Zimmermann/foto2press/Imago)

Die Hockey-Frauen des Münchner Sportclubs sollen ihre positive Entwicklung fortsetzen - allerdings ohne den Entwickler. Der Abschied von Trainer Jan Henseler verdeutlicht dem Verein mal wieder seinen Standortnachteil.

Von Katrin Freiburghaus

Mit Trennungen aus "privaten Gründen" ist das ja mitunter so eine Sache. Besonders, wenn Trainer einen Klub nach einer erfolgreichen Saison verlassen, sparen sich Presseabteilungen mit diesem Terminus gerne den Aufwand, womöglich komplexere Gründe zu erläutern. Manchmal sind private Gründe aber tatsächlich private Gründe - und treffen alle Beteiligten gleichermaßen unerwartet.

Die Hockey-Frauen des Münchner Sportclubs haben sich unter der Leitung ihres Trainers Jan Henseler innerhalb eines Jahres von einem Abstiegskandidaten zu einem ernstzunehmenden Viertelfinal-Teilnehmer entwickelt. Am vergangenen Wochenende trotzten die Münchnerinnen dem haushohen Favoriten Mannheimer HC im Viertelfinale um die Meisterschaft auf dessen Anlage sogar ein Entscheidungsspiel um den Endrundeneinzug ab. "Das hat alle sehr, sehr stolz gemacht", sagte Henseler.

"Manchmal verändern sich Dinge im privaten Umfeld dann so, dass die Distanz zur Familie nicht mehr machbar ist"

Angesichts des Qualitäts-, vor allem aber Finanzgefälles in der Liga von Nord-West nach Süd-Ost war das tatsächlich ein Achtungserfolg. In der Rückrunde hatte sich der MSC bereits zuvor auch gegen Spitzenteams konkurrenzfähig präsentiert. Sieben seiner 16 Punkte holte er aus den letzten fünf von 16 Spielen. Dass Henseler den MSC trotz dieser offensichtlich positiven Entwicklung nach nur einer Saison wieder verlässt, traf die Verantwortlichen deshalb hart. Aber: Man habe seine Bitte um das Vertragsende "leider akzeptieren müssen", sagte Hockeyvorstand Olaf Mackensen.

Auch Henseler betonte, "dass das nicht geplant war". Er sei mit dem Anspruch angetreten, in München einen Prozess einzuleiten und zu begleiten, "damit meinte ich sicher nicht nur ein Jahr, und umso schwerer fällt mir der Abschied". Aber Hockey ist - insbesondere am Inselstandort Bayern - nichts, was für sich allein genommen eine komplette Neuausrichtung einer Lebensplanung rechtfertigen würde. Auch hauptamtliche Trainer werden in dieser Sportart mit ihrer Arbeit nicht reich, die Spielerinnen der ersten Ligen firmieren ohnehin lediglich formal als Profis. "Manchmal verändern sich Dinge im privaten Umfeld dann so, dass die Distanz zur Familie nicht mehr machbar ist", sagte Henseler, der vor der Saison aus Bonn nach München gekommen war.

Hatte in München viel mehr vor als ein Jahr: Trainer Jan Henseler. (Foto: Oliver Zimmermann/foto2press/IMago)

Distanzen dürften auch bei der nun anstehenden Suche nach einem Nachfolger für die Bundesliga-Frauen und den Jugendbereich eine gewichtige Rolle spielen. In Nordrhein-Westfalen und Hamburg, wo die deutschen Hockeyhochburgen mit der höchsten Klub- und Leistungsdichte zu finden sind, fahre man zur Hälfte der Auswärtsspiele morgens los und sei um 18 Uhr zurück zu Hause. "Das ist in München nicht möglich. Da liegt mindestens eine Übernachtung dazwischen, das werden schnell 48 Stunden, an Doppelwochenenden eher mehr", erläuterte Henseler. München sei mit Ausnahme der Alpen "einfach von fast allem weit weg, vor allem vom nächsten Hockeyklub".

Diesen Nachteil versucht der MSC seit Jahren durch andere attraktive Standortfaktoren auszugleichen: Stadtbild, gute Kontakte zu lokalen Firmen, Klubleben, Hilfe bei der Akquise von Studienplätzen. Doch dass die Leistungsdichte im Jugendbereich in Bayern deutlich niedriger ist, was in einer Sportart fast ohne Profitum wiederum eine kleinere Zahl an Erstligisten zur Folge hat, ist ein strukturelles Problem, das man nicht kurzfristig lösen kann - und schon gar nicht als Einzelstandort. Symptome wie weniger Spieler und Spielerinnen lassen sich durch gute Arbeit und Vernetzung mit anderen Klubs innerhalb der Stadt und im Umland abfedern. Folgeerscheinungen wie weniger Trainer sind hingegen ein Umstand, mit dem der MSC vorerst leben muss.

Immerhin haben Männer und Frauen durch den Erstliga-Aufstieg respektive ihren Klassenerhalt die sportliche Attraktivität des MSC erhöht. Nach dem Abstieg des Nürnberger HTC in Feld und Halle sind die Münchner nunmehr der letzte verbliebene bayerische Erstligist im Feldhockey. Aller Rivalität zum Trotz ist Letzteres eine schlechte Nachricht: Sie macht München bis auf Weiteres zu einer noch einsameren Insel.

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