1860 München:Kühlbox für den ersten Verteidiger

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Treffsicherer Routinier: Sascha Mölders (mitte) hat gegen Wiesbaden das entscheidende Tor geschossen – sein sechster Saisontreffer. Er ist damit der beste Torschütze von 1860 in dieser Saison. (Foto: Jan Huebner/imago)

Sascha Mölders zeigt, wie wichtig er ist - und Investor Ismaik meldet sich zu Wort.

Von Christoph Leischwitz

Auswärts hat der TSV 1860 München in der laufenden Saison erst dreimal verloren, eine beachtliche Statistik. Umso überraschender war es, dass der Twitter-Account des Drittligisten die Partie gegen den SV Wehen Wiesbaden ins heimische Grünwalder Stadion verortete. In Wehen hatten sie geantwortet: "Jetzt haben wir extra hier bei uns aufgebaut..." und dahinter einen Nachdenk-Emoji gesetzt. Nach dem Spiel wird nun die Westtribüne in der Arena abgerissen und neu gebaut - sie soll das Stadion zweitligatauglich machen. Solche Baumaßnahmen liegen in München noch in weiter Ferne. Doch zumindest war es mit dem 1:0-Erfolg bei den Hessen schon einmal geglückt, deren Aufstiegseuphorie zu bremsen. Trainer Daniel Bierofka sprach hernach von einem "immens wichtigen Schritt" in Richtung Ligaverbleib.

"Herzrasen", ein Slogan des Wehener Fußballvereins, war da auf einem kleinen Bildschirm vor Bierofka zu lesen, als dieser die Partie zusammenfassen sollte, sein eigener Puls war augenscheinlich immer noch sehr hoch. Bierofka tat das, was er am liebsten tut: mit Leidenschaft über eine leidenschaftliche Mannschaft reden, über einen aufgegangenen Plan. Seine Mannschaft hatte gerade bei einem Spitzenteam gewonnen und war zum ersten Mal seit Anfang Dezember ohne Gegentor geblieben. Und womöglich fällt es ja noch ein wenig leichter, die Gegenwart zu genießen, wenn die Zukunft ziemlich ungewiss ist.

Unter der Woche hatte Bierofka sogar das Wort "handlungsunfähig" in den Mund genommen als es darum ging, die Kaderplanung für die nächste Spielzeit zu beschreiben. Stattdessen hatte er bekannt gegeben, im Sommer die Spieler Dennis Dressel, Leon Klassen und Fabian Greilinger in den Kader zu holen. Dressel trainiert seit Januar bei den Profis und saß am Samstag in Wiesbaden auch auf der Bank. Klassen ist russischer Junioren-Nationalspieler, Greilinger erst 18 Jahre alt und stand selbst für die hauseigene U21 erst zweimal auf dem Platz. Ohne Sascha Mölders wären sie kommende Saison womöglich gar nicht da. Der bald 34-Jährige köpfelte in der 85. Minute das Siegtor nach einer weiten Flanke von Herbert Paul, der bei der 1:2-Niederlage im Hinspiel getroffen hatte. Mölders' Vertrag hat sich bekanntlich schon verlängert, sodass die Aussagen des Routiniers zusätzliches Gewicht haben. Nach dem Schlusspfiff war der Siegtorschütze der Münchner bei Magenta TV gefragt worden, ob er sich denn vorstellen könne, dass es Bierofka irgendwann einmal reicht angesichts der finanziellen Lage und den rund 1,5 Millionen Euro, die eingespart werden sollen. Mölders schüttelte lächelnd den Kopf und sagte: "Der Biero haut nicht ab."

Ein bisschen Glück, das musste dieser wiederum einräumen, war natürlich auch dabei gewesen. In der 35. Minute hatte der Ball nämlich im Tor der Sechziger gelegen, Daniel-Kofi Kyereh hatte getroffen und zum Jubel auch schon einen Flickflack geschlagen, ehe er auf seine Abseitsposition hingewiesen wurde - auf die vermeintliche. Die Fernsehbilder legen ein reguläres Tor nahe. Und es gab weitere, brenzlige Situationen, zumeist selbst verschuldet.

Stellvertretend für die Leistung der Mannschaft standen zwei Auftritte von Torwart Marco Hiller: In der zwölften Minute traf er bei einem Befreiungsschlag den Ball nicht richtig und hätte beinahe ein Gegentor verschuldet; Sekunden später klärte er nach einem sehenswerten Steilpass in höchster Not gegen Kyereh. Über 90 Minuten könne man Wehen Wiesbaden eben nicht komplett vom Tor fernhalten, meinte Bierofka, der auf die harte Defensivarbeit seiner Mannschaft stolz war. "Wir haben uns zerrissen", sagte Angreifer Mölders, den Bierofka den "ersten Verteidiger" nannte: "Sascha macht einen super Job, arbeitet mit seinen 33 Jahren für die Mannschaft wie ein Tier. Wir müssen ihn jetzt auf der Heimfahrt in eine Kühlbox legen, damit er am Dienstag wieder fit ist."

Am späten Samstagabend meldete sich dann auch noch Sechzigs Investor Hasan Ismaik via facebook zu Wort. Bierofka sei "ein Vorbild für alle", er sei sich sicher, dass die Mannschaft am Dienstag im Derby gegen Unterhaching die Leistung bestätigen werde. Und schloss mit den Worten: "Ich hoffe, dass der Verein unserem Trainer für die neue Saison eine Perspektive aufzeigt, damit die Mannschaft den nächsten Schritt gehen kann." Das wiederum hörte sich nicht so an, als ob er neuerdings plane, das Vereinsbudget kurzfristig noch einmal zu erhöhen.

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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