MSV Duisburg:Immer noch oder wieder mal

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Mit Bier, Brille und Perücke: Torjäger Kingsley Onuegbu feiert den Wiederaufstieg des MSV Duisburg in die zweite Bundesliga. (Foto: Eibner/imago)

Raus aus dem Fahrstuhl: Der MSV kehrt in die zweite Liga zurück - und will bleiben.

Von Philipp Selldorf, Köln

Ivo Grlic, 41, begegnete am Samstag im Kölner Südstadion seiner eigenen Vergangenheit, während er mit dem MSV Duisburg in eine bessere Zukunft aufbrach. Der Manager des Meidericher Sport Vereins hatte vor 20 Jahren an jenem Ort im Dienst des SC Fortuna sein erstes Spiel als Profi bestritten, der Trainer hieß Bernd Schuster und stand ebenfalls am Beginn seiner Trainerkarriere. Den Fußballern präsentierte er sich auf seine typische Art: als eigentümliche Erscheinung - und als faszinierende Persönlichkeit. Eigenschaften, die er in gewisser Weise mit dem schillernden Präsidenten teilte, weshalb sich Grlic an diesem sonnigen Samstag nun besonders gern an ihn erinnerte: "Jean Löring war nicht nur ein hervorragender Präsident, sondern auch ein fantastischer Mensch und ein einmaliger Typ." Für weitere Reminiszenzen blieb keine Zeit, denn es wurde turbulent, als der MSV mit dem 3:0 in Köln den Aufstieg in die zweite Liga fertigstellte.

Das Kölner Südstadion, üblicherweise einer der beschaulichsten Orte des deutschen Profifußballs, geriet zum Schauplatz einer gewaltigen Ekstase. Die Mehrheit der rund 6000 auswärtigen Besucher stürmte nach Spielschluss den Rasen, was aber niemanden beunruhigen musste, weder die Sicherheitskräfte noch die Duisburger Spieler, die keinen Anlass sahen, in die Kabine zu flüchten. Zumal sie nicht nur von den eigenen Anhängern gefeiert wurden, sondern auch von den Einheimischen. Der harte Kern der Kölner Fans goutierte die Invasion der Gäste im Fortuna-Wohnzimmer und sang im Chor: "Ihr seid besser als der 1. FC Köln."

Kingsley Onuegbu, der Torjäger der Duisburger, machte seinem Ruf als Spaßkanone alle Ehre und setzte sich eine seltsame Perücke auf; die Rückreise ins Ruhrgebiet wurde auch sehr lustig, als unterwegs auf der Raststätte drei Spieler verloren gingen, die frisches Bier besorgt hatten. Sie reisten mit dem Taxi hinterher und stiegen (mit Bier) wieder zu.

Nun hofft man allerdings beim MSV, dass solche Szenen in den nächsten Jahren bitte ausbleiben mögen, denn das fortwährende Auf und Ab in Duisburg ist doch ziemlich anstrengend. "Wir wollen uns dauerhaft in der zweiten Liga etablieren", sagt Grlic, man kann diesen Wunsch auch als Stoßgebet verstehen. Schon in den Jahren als Lizenzspieler hat der in München geborene Grlic manches mitgemacht bei den Zebras. Zweimal stieg er in die erste Liga auf und dann gleich wieder ab; sein letztes Spiel mit dem MSV war einerseits die Krönung der Karriere und andererseits ein Reinfall: Im Pokalfinale gegen Schalke verlor sein Team 0:5. Danach wechselte er ins Management des Vereins, womit er die wahren Probleme erst richtig kennenlernte: 2013 gab es den Lizenzentzug und Zwangsabstieg, 2015 die Rückkehr in die zweite Liga, 2016 den nächsten Abstieg - nach der gegen Würzburg verlorenen Relegationsrunde.

Die finanzielle Lage hat sich dank eines Investors etwas entspannt

Das wirft unter anderem die Frage auf, wie man als Verantwortlicher all die dramatischen Fahrstuhlreisen aushält. "Identifikation ist extrem wichtig - und Spaß an der Arbeit", erwidert Grlic darauf. Der Sportmanager hätte sich schon 2013 in Sicherheit begeben können, zwei Zweitligisten legten ihm gute Angebote vor, aber er blieb, "es ist nicht gut, in der schweren Krise den Arbeitgeber zu verlassen", merkte er lakonisch an. Es macht ihn auch nicht mürbe, den notorischen Mangel beim MSV zu verwalten. "Druck hat jeder in der Arbeitswelt, ob Selbständiger oder Angestellter. Ich verkrafte das gut", sagt er, "und was man in Duisburg lernt, ist: Ärmel aufkrempeln und nicht jammern."

In die Drittliga-Saison 2016/17 startete der MSV dann nicht nur mit dem Gros des abgestiegenen Zweitliga-Kaders (zu angepassten Konditionen), sondern auch mit der internen Zielvorgabe des sofortigen Wiederaufstiegs. Der Trick dabei war, dass der Klub seine Ambitionen erst im Winter öffentlich machte. Durchschnittlich 13 620 Zuschauer unterstützten die Mannschaft im eigenen Stadion, zumindest die Eigenschaften eines leidenschaftlich verehrten Traditionsvereins hat der MSV bewahren können.

Nun macht sich Ivo Grlic wieder mal auf die Suche nach Spielern, die zum Klassenverbleib beitragen könnten. Die finanzielle Lage hat sich durch den Einstieg eines amerikanischen Investors, der zehn Prozent der ausgelagerten Profiabteilung erworben hat, ein wenig entspannt. Die Aussicht auf rund 7,5 Millionen Euro TV-Honorar erleichtert ebenfalls das Leben. "Der MSV Duisburg ist immer noch eine gute Adresse", versichert Ivica Grlic. Oder auch: wieder mal.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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