Motorsport:Ohne Feuerwerk

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Der letzte Champion der sog. alten DTM: Audi-Pilot René Rast. (Foto: Thomas Pakusch/imago)

René Rast ist nun drittbester Pilot der DTM, die stark verändert wird.

Von Anna Dreher, Hockenheim/München

Wie wäre dieses letzte Saisonwochenende wohl ohne Pandemie abgelaufen? Wahrscheinlich ähnlich wie jenes vor zwei Jahren. Als Gary Paffett im Mercedes auf der Geraden Richtung Ziellinie fuhr, zündete am Streckenrand bereits buntes Feuerwerk. Die Fans auf der Tribüne jubelten, Mechaniker und Ingenieure lagen sich in der Garage von Paffets Team in einem hüpfenden Pulk in den Armen. Viele hatten Tränen in den Augen, vor Freude und auch aus Melancholie. Paffett hatte nicht gewonnen. Aber Platz drei im Abschlussrennen auf dem Hockenheimring reichte, um sich mit dem äußerst knappen Vorsprung von vier Punkten vor Audi-Pilot René Rast den Titel im Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) zu sichern. Und das passte perfekt zur Dramaturgie: Das letzte Rennen 2018 war auch das letzte von Mercedes in der DTM.

Und nun? Kein großes Feuerwerk, keine Fans, Jubel nur unter Hygieneregeln - also auf gar keinen Fall in einem hüpfenden Pulk! "Es sind leider keine Partys erlaubt, sonst würden wir sicher das Fahrerlager abreißen heute", sagte Rast am Sonntag. Dabei hätte eine große Party auch jetzt wieder gepasst, sogar in doppelter, ja dreifacher Hinsicht. Nicht nur, weil das letzte Rennen 2020 auch das letzte von Audi in der DTM war und dieser Abschied, wie damals bei Mercedes, durch den Titelgewinn von Tagessieger Rast mit einem Triumph begangen wurde. Sondern auch, weil dieses Rennen ebenso das letzte von BMW war - und das letzte der DTM in ihrer bisherigen Form überhaupt.

Das Saisonende markiert einen tiefen Einschnitt für die Motorsportserie. Ab kommendem Jahr wird alles anders. Die 1984 gestartete DTM verliert ihr Alleinstellungsmerkmal, weswegen sie vor allem bei den Fahrern beliebt war: von Herstellern eigens entwickelte Prototypen. "Ich musste aufpassen, weil ich schon Mitte des Rennens Tränen in den Augen hatte. Weil ich ja wusste, dass es das letzte in diesem Auto ist", sagte Rast und dürfte damit die Gefühlslage vieler beschrieben haben. Auch DTM-Chef Gerhard Berger wäre gerne beim Class-One-Reglement geblieben. "Ich verabschiede mich mit Schmerzen", hatte er im SZ-Interview eingestanden. Aber den Herstellern war die Entwicklung zu teuer. Die DTM stand vor ihrem Ende, das Berger mit dem Wechsel auf eigenständige Teams mit Fahrzeugen auf GT3-Basis vorerst abwenden konnte. Nur ist sie damit eine unter vielen, denn das bieten weltweit auch andere Serien.

Berger, 61, glaubt trotzdem, dass die DTM auch nach dem Ausstieg der Hersteller funktionieren kann. Weil eine zu erwartende große Markenvielfalt für Spannung sorgen und weil die Plattform erweitert werden soll. Neben den DTM-Hauptrennen plant Berger die Wochenenden ab dem Saisonstart Ende Mai 2021 in St. Petersburg mit der bereits bestehenden DTM Trophy für Talente sowie der DTM Classic mit historischen Autos. Den größten Effekt in Sachen Zukunftsfähigkeit dürfte er sich von der digitalen DTM Esports und vor allem ab 2023 von der vollelektrischen DTM Electric erhoffen. Autos mit mehr als 1000 PS - das entspräche Formel-1-Niveau und könnte Hersteller wieder reizen. Ob diese Mischung funktionieren kann, bleibt abzuwarten. Ihren eigenen Charakter hatte die DTM ja vor allem wegen der speziellen Rennwagen. Und die sind nun passé.

Die Emotionalität am Sonntag war also besonders groß. Und neben Wehmut schwang vor allem eine Frage mit: Was hätte René Rast in der "alten" DTM wohl noch alles erreichen können? Der 34-Jährige aus Minden hat nun drei Titel in vier Jahren gewonnen, das ist noch keinem gelungen. In seiner ersten Saison 2017 gelang dem Späteinsteiger direkt der Coup. 2018 folgte die knappe Niederlage gegen Paffet. Im selben Jahr gelang Rast aber am Nürburgring eine kleine Premiere: Als erster DTM-Fahrer seit Wiedereinführung des Formats mit zwei Rennen pro Wochenende holte er Pole und Sieg in beiden Läufen mit der maximalen Ausbeute von 56 Punkten. Bemerkenswert war zudem seine Aufholjagd mit sechs Siegen nacheinander.

2019 überragte Rast. Wie auch bei seinem Sieg am Sonntag, seinem 24. in der DTM in nur 76 Rennen. Besser waren allein der dreimalige Meister Klaus Ludwig, der für 37 Erfolge allerdings 220 Starts benötigte, und Bernd Schneider (43/236). Womöglich hätte René Rast irgendwann Schneiders Rekord von fünf DTM-Titeln eingestellt. Dann hätte es ganz sicher ein großes Feuerwerk gegeben.

© SZ vom 10.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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