Motorsport:Aufstieg als Meister

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Herzlich willkommen! Formel-1-Sportchef Ross Brawn (links) gratuliert Mick Schumacher zu dessen Formel-2-Meisterschaft. Nächstes Jahr steigt der Deutsche in die Königsklasse auf. (Foto: Mark Thompson/Mark Thompson/Getty Images)

Mick Schumacher gewinnt den Titel im Formel-2-Wettbewerb und reicht damit auch die sportliche Rechtfertigung dafür nach, dass er ein Haas-Cockpit erhält - und nicht sein Rivale Callum Ilott.

Von Philipp Schneider, Sakhir/München

Sabine Kehm legte ihre Handfläche an den Rücken von Mick Schumacher, dann drückte sie ihn sanft auf die Reise. Von der Partyrunde, die die rotgewandeten Männer des Teams Prema gerade abhielten, in Richtung der Bühne, auf der nun die Kameras auf Schumacher warteten. Er war ja nun doch der Meister der Nachwuchs-Rennserie Formel 2. Da darf einer gerne mal eine rührende Rede schmeißen!

Als Managerin hat Kehm nicht nur die Karriere Mick Schumachers begleitet, sondern auch schon die seines Vaters Michael. Nach Kehms Rolle war Schumacher junior deshalb auf einer Pressekonferenz anlässlich seines Aufstiegs in die Formel 1 in der kommenden Saison gefragt worden. Schumacher hatte gelächelt, und sachlich geantwortet: Nun, sie sei enorm wichtig. Sie verrate ihm ja immer, was er überhaupt sagen dürfe.

Aber diesmal reichte die Zeit nicht für ordentliches Briefing. Es ging ja direkt von der Party auf die Bühne. Und Mick Schumacher, 21, von dem man dachte, er habe in dieser Woche mit der Unterzeichnung seines ersten Formel-1-Vertrags schon sein emotionalstes Erlebnis hinter sich gebracht, er ließ jetzt erst alles raus: Die sehr unbefriedigenden vergangenen Rennrunden. Seine Freude über den Titel. Wohl auch Tränen. Sehr lang jedenfalls hatte er nach der Zieldurchfahrt den Helm aufbehalten. Und nun dankte er seinem Team, in dem es ja "nur Freunde" gebe. Ja, wirklich, dieser doch sehr um seine Worte bedachte Rennfahrer sagte, er "liebe sie alle". Und nach Hause zu seiner Familie schickte er einen "big kiss".

Am Sonntag, im garantiert letzten Formel-2-Rennen seiner Karriere, war es für Schumacher noch um einiges gegangen. Um nicht weniger als die nachgereichte sportliche Rechtfertigung, weswegen er aufsteigen darf in die Formel 1 - und nicht der Brite Callum Ilott, der auch noch Chancen auf den Titel hatte. Und dann endete die Saison mit einer feinen Pointe: Schumacher wurde zwar nur 18., Ilott nur Zehnter. Aber das reichte. Locker.

Wie sich die Meisterschaft nun anfühle, wurde Schumacher gefragt. "Gut", sagte er: "Aber sie würde sich noch besser anfühlen, wenn ich ein gutes Finale gezeigt hätte."

Zwei Rennen veranstaltet die Formel 2 an ihren Wochenenden, nicht nur eines wie die Formel 1. Am Samstag hatte Schumacher eine Botschaft an seine Kritiker auf den Asphalt gebrannt, die ja ohnehin immer leiser werden. Von Startplatz 18 aus fuhr er vor auf Rang sechs. Ilott wusste, dass er das sonntägliche Sprintrennen würde gewinnen und Schumacher leer ausgehen müssen, um die Hand an den Pokal zu bekommen.

Die Startaufstellung am Sonntag ergibt sich aus dem Ergebnis der Sause am Samstag, wobei die ersten acht Piloten in umgekehrter Reihenfolge starten. Diese Regel ist als eine Art Handicap für die Besten gedacht. Sie sorgte nun dafür, dass der zu bezwingende Schumacher wegen seines sechsten Platzes mit Parkbucht drei belohnt wurde. Und gleich neben ihm stand: Ilott.

Die Reifen durchgewetzt - ab der achten Runde beginnt Schumacher zu schlingern

Schumacher startete stark, schob sich vorbei am Inder Jehan Daruvala. Kurz darauf verbremste er sich allerdings und verlor die Position wieder an Daruvala. Nach drei Umdrehungen befand sich Ilott auf Position vier im Puffer zwischen Schumacher und dessen Teamkollegen Robert Schwarzman. "Flat spot!", rief Schumacher in sein Mikrofon. Der Verbremser hatte seine Reifen etwas zu lang stehen lassen, das Gummi an einer Stelle stark abgerieben. Und jetzt?

Nun, Schumacher war offenkundig nicht gewillt, sich seine Meisterschaft am Taschenrechner zu verdienen. Er schob den Frontflügel weiter nach vorn, wollte gewinnen.

In der vierten Runde schnappte er sich Daruvala, vor ihm fuhr nun nur Daniel Ticktum. Platz zwei hielt Schumacher bis zur achten Runde, dann setzte Daruvala den Konter. Weil Schumacher schlingerte, weil seine Reifen durchgewetzt waren. Ilott holte auf, die Silhouette seines Rennwagens wuchs und wuchs in Schumachers Rückspiegel.

In der 16. Runde zuckte er nach außen. Schumacher machte sich breit, blockierte den Weg. Aber es war klar: Lange würde das nicht gutgehen. Ilott erhöhte den Druck, wieder verbremste sich Schumacher. Dann gleich nochmal. Immer wieder schüttelte er Ilott ab. Bis Runde 19: Ilott holte weit aus, fuhr neben der Strecke, und diesmal war er vorbei. Die Gelegenheit nutzten auch andere, Schwarzman rauschte vorbei, auch noch Yuki Tsunoda. Schumacher hatte sich ja einen Bremsplatten geholt. "Total mein Fehler", sagte er später, "damit war mein ganzes Rennen kompromittiert."

Er fuhr raus, ließ sich frische Reifen anschrauben. Danach war er Vorletzter, 43 Sekunden hinter dem Ersten. Sein Vorsprung in der Gesamtwertung auf Ilott betrug in dieser Sekunde nur vier Punkte.

Aber Ilott musste gewinnen, um sich den Titel noch zu schnappen. Stattdessen wurde er durchgereicht. Sein Konkurrent erfuhr im Funk: "Die Reifen von Ilott sind am Ende." Und Schumacher war am Ziel.

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