Michael Rasmussen:Das schnellste Huhn von Mexiko

Lesezeit: 4 min

Die UCI hätte den Tour-Führenden Michael Rasmussen längst sperren müssen - der Däne hat bereits vier Verwarnungen erhalten.

Andreas Burkert

In den Interviews seiner französischen Gastgeber wandert das Blau seiner Augen ständig von rechts nach links und wieder zurück. Dieses Flackern wirkt bei Michael Rasmussen, 33, nicht ganz so wirr wie ehedem bei einem deutschen Fußballlehrer, der um ein Haar Bundestrainer geworden wäre. Rasmussen mag schlichtweg keine Interviews, er wird dann unsicher. Derzeit ist der dänische Radprofi allerdings verpflichtet zum Mediengespräch, denn er trägt seit Tignes das Gelbe Trikot der Tour de France. Freitagmittag nun hat sich Rasmussen vor dem Start der zwölften Etappe außerplanmäßig stellen müssen, denn sein ohnehin schon ramponierter Ruf hat erneut gelitten. Über verpasste Dopingkontrollen wurde spekuliert, sogar von einem positiven Test war die Rede. Würde er überhaupt starten?

Vor dem Start der 12. Etappe musste die Polizei Rasmussen vor dem Ansturm der Fotografen und Kameraleute schützen. (Foto: Foto: Reuters)

Rasmussen hat in Montpellier geredet, und er ist selbstverständlich Richtung Castres losgefahren, obwohl ihn Tourchef Christian Prudhomme sicherlich aufgehalten hätte - wenn der Weltverband UCI ihn über die Fakten informiert hätte. So aber stellte sich der Franzose in einer offiziellen Stellungnahme vor den Dänen und das Maillot Jaune. Prudhomme äußerte sich verärgert über den dänischen Radsportverband DCU, der bestätigt hatte, Rasmussen am 22. Juni aus seinen Nationalkadern für die WM und Olympia 2008 gestrichen zu haben. ,,Warum warten sie so lange mit dieser Veröffentlichung, warum geben sie das erst während der Tour bekannt, wenn er Gelb trägt?'', rief der erregte Tourpatron.

Stets weit weg, selten Rennen

Prudhomme wird diese Fragen alsbald auch der UCI stellen müssen, denn nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hätte sie den Rabobank-Kapitän längst sperren müssen: Zum einen hat der dänische Verband seine Vorbehalte gegen ihn zeitig an die UCI weitergegeben - in Form von zwei Verwarnungen wegen verpasster Kontrollen bzw. Verstößen gegen die Meldepflicht. Doch dort liegen die Nachrichten offenbar noch in der Ablage - bestenfalls. Wahrscheinlicher ist eine zweifelhafte Fürsorge für einen Mitfavoriten der Tour durch den im Antidoping-Kampf weiterhin manisch trägen Weltverband: Denn auch die UCI hat Rasmussen ihrerseits schon zweimal wegen ähnlicher Vergehen verwarnt - macht insgesamt schon vier gelbe Karten für den zweimaligen Bergkönig.

Laut UCI-Reglement werden bereits drei Verwarnungen wie eine positive Dopingprobe gewertet - die Folge ist ein Verfahren des Landesverbandes und üblicherweise eine zweijährige Sperre.

Jesper Worre, der Geschäftsführer der DCU, hatte zu Beginn der Affäre bestätigt, Rasmussen werde nicht mehr nominiert. ,,Ich sage nicht, dass er positiv war, aber sein Verhalten gibt Anlass zu Fragezeichen'', sagte er. Am Freitagnachmittag bestätigte Worre dann auf Anfrage, Rasmussen sei auch von der dänischen Antidoping-Agentur zweimal verwarnt worden. ,,Mit den UCI-Sachen liegen bei ihm jetzt für die letzten 18 Monate vier Verwarnungen vor.''

Rasmussen selbst hatte Freitagfrüh zunächst von ,,einer Verwarnung'' gesprochen und ergänzt, er ,,kenne viele Fahrer mit einer Verwarnung, ich habe nichts zu verbergen''. Dummerweise sagte kurz darauf sein Teammanager beim niederländischen Rabobank-Rennstall, Theo De Rooij: ,,Wir wissen von zwei Verwarnungen.'' Bei diesen handelt es sich um die Abmahnungen durch die UCI. Die erste hatte Rasmussen am 24. März 2006 erhalten, da er nicht fristgerecht bis zum 15.März seine Reiseplanungen mitgeteilt hatte. Die zweite erhielt er am 29. Juni dieses Jahres, da er sowohl am 8. Mai wie auch am 28. Juni von UCI-Kontrolleuren nicht angetroffen wurde; eingestuft wurden diese Vorfälle als no shows. Die beiden Verwarnungen in Dänemark erhielt er in diesem Jahr.

Dass Rasmussen - Spitzname ,,Chicken'' (Huhn) - Probleme mit seinem Reisekalender hat und oft nicht da ist, wenn der Kontrolleur klingelt, liegt auch an seiner globalen Flexibilität. Denn eigentlich lebt Rasmussen seit 1998 in Italien am Gardasee; in einer Villa in Lazise, mit seiner mexikanischen Frau Cariza. Doch seine Lizenz stellte ihm 2006 erstaunlicherweise der mexikanische Verband aus, womit sich der Mountainbike-Weltmeister von 1999 praktischerweise außerhalb seriöser Kontrollsysteme aufhielt. Laut UCI-Reglement wird ein Profi entweder in seinem Heimatland lizenziert - oder eben in dem Land, in dem er lebt.

In diesem Jahr fährt Rasmussen nun zur allgemeinen Verblüffung für den Verband der Radsportmacht Monaco, ,,ich habe dort eine Residenz'', erklärte Rasmussen dazu in dieser Woche. Ob er sich vielleicht doch eher nur um einen Briefkasten handelt, ist bisher nicht bekannt. Fakt ist laut der dänischen Zeitung Extrabladet: Vor der Tour bereitete er sich erneut drei Wochen in Mexiko vor - Kontrollbesuche erhielt er dort nicht.

Generell bevorzugt der Kletterspezialist die Distanz zur dänischen Heimat, die spätestens seit dem arrogant vorgetragenen Dopinggeständnis des Toursiegers von 1998, Bjarne Riis, sensibel mit dem Problem umgeht. Dieses Jahr beispielsweise kam Rasmussen bis zum Tourstart in London auf spektakulär wenige Renntage (zwölf), gesammelt im fernen Kalifornien sowie bei der Baskenland-Rundfahrt - im kontrollmüden Spanien. Da Rasmussen jedoch in Peking 2008 seiner Leidenschaft Mountainbike nachgehen wollte, reihte er sich ab 2007 notgedrungen in das Programm Dänemarks ein. Zumindest hatte er es der DCU zugesagt. Nicht nur sie zweifelt jetzt an seiner ,,grundsätzlichen Haltung'', so Jesper Worre.Aussagekräftig ist auch Rasmussens späte Unterschrift unter die von der Tour-Leitung und der UCI geforderte Ehrenerklärung. Er empfinde das Versprechen für einen sauberen Sport und die darin festgeschriebene Rückzahlung eines Jahresgehalts im Dopingfall als ,,Eingriff in die Privatsphäre''. Alle Rabobank-Profis unterzeichneten sehr spät, die Mannschaft blockiert überdies in der Teamorganisation AIGCP stets den von französischen und deutschen Rennställen forcierten Antidoping-Kampf.

Ob Rasmussen am Samstag ins Zeitfahren von Albi gehen wird? An die Disziplin hat er keine guten Erinnerungen, 2005 stürzte er zweimal und musste dreimal das Rad tauschen, womit er vom dritten Podiumsrang auf Platz sieben zurückfiel. Diesmal müssten ihn andere Dinge zu Fall bringen. Sofern es mit rechten Dingen zugeht.

© SZ vom 21.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: