Manchester United:Der Chefstratege

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In seinem zweiten Premier-League-Spiel zeigt der in der 60. Minute eingewechselte Bastian Schweinsteiger, wie man einen knappen Vorsprung routiniert ins Ziel bringt.

Von Sven Haist, London

Als Manchester United einen Tag vor dem Saisonstart mit der Veröffentlichung der Trikotnummern für Klarheit bei den Fans sorgen wollte, löste dies eine Welle der Enttäuschung aus. Während sich die meisten Spieler mittlerweile über Marktwert und Gehalt definieren, genießt bei den Anhängern noch immer der uralte Dreiklang aus Vereinstrikot, Spielername und Rückennummer den höchsten Stellenwert. Euphorisiert durch die Verpflichtung von Bastian Schweinsteiger hatten sich viele Fans bereits Exemplare mit der Zahl "23" drucken lassen. Jener Zahl, die Schweinsteiger während der Vorbereitung trug. Kaum einer hatte ja ahnen können, dass Teamkollege Marouane Fellaini zu Gunsten des bayerischen Massenlieblings auf seine angestammte "31" verzichten würde. Das Wehklagen bei so manchem Verehrer war also groß. Einer wandte sich gar über die sozialen Medien direkt an Schweinsteiger und bekam dafür später ein handsigniertes, neues Trikot versprochen - es war Schweinsteigers bislang spektakulärste Szene für Manchester United. Auf dem Feld hingegen ist Nummer "31" noch etwas unauffälliger unterwegs.

Anerkennung von Wayne Rooney

Immerhin half Schweinsteiger am Freitagabend im ersten Auswärtsspiel der Saison noch eine halbe Stunde lang mit, ein 1:0 bei Aston Villa über die Ziellinie zu ziehen. Es war kein schönes Ereignis, aber ein schön effektives Ergebnis, das den englischen Rekordmeister nach zwei Jahren Abstinenz immerhin wieder für eine Nacht an die Premier-League-Tabellenspitze beförderte. Zwei Spiele, zwei 1:0-Siege, sechs Punkte - so klinisch sauber waren die Red Devils unter der Herrschaft von Trainer Louis van Gaal noch nicht aufgefallen.

Der Niederländer hat nach dem missratenen Versuch, mit Einzelkönnern wie dem Argentinier Angel di Maria (jetzt Paris St. Germain) oder dem Kolumbianer Falcao (jetzt FC Chelsea) zu triumphieren, nun die Saison der Gruppendynamik ausgerufen. Selten genug, dass van Gaal, als Sturkopf bekannt, eine Strategie einfach umpolt. Nun setzt er auf Fleißarbeiter wie den vom FC Southampton geholten Franzosen Morgan Schneiderlin. Und Schweinsteiger. Beide symbolisieren das verwandelte United.

Ein Politikwechsel von Louis van Gaal

In der einzigen Spielsequenz, in der der Branchengigant bei Aston Villa Gefahr lief, die Führung abzugeben, schickte van Gaal seinen Wunschspieler aufs Feld. Schweinsteiger drosselte ab der 60. Minute die Geschwindigkeit mit ein paar einfachen Pässen. So reduzierte er die Partie clever zu einem Strategiespiel. Im Alter von 31 Jahren weiß der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, wie sich ein Ergebnis verwalten lässt. Wayne Rooney tätschelte ihm dafür nach Abpfiff den Kopf. Rooney, der Spanier Juan Mata und Schweinsteiger - dieses Trio wird ManUnited prägen müssen. Mehr Profis von Weltruf gibt es nicht mehr bei den Roten. Vermutlich steckt dahinter der Entschluss von van Gaal, seine Wunschspieler wie einst beim FC Bayern vermehrt selbst auszubilden - oder zuzukaufen. Billig ist auch diese Politik nicht. Aber der Kader wirkt stimmiger als vorige Saison.

Unterstützend könnte beim Politikwechsel von van Gaal auch der gute internationale Ruf von Bastian Schweinsteiger wirken. Dem hat der Trainer mit Einwechslungen gegen Tottenham und Villa einen ersten Eindruck von der Spielweise auf der Insel verschafft. Gut ein Monat bleibt noch, ihn fit für das erste Prestigeduell zu machen. Dann kommt der FC Liverpool, der ewige Rivale, zum Ernstfall ins Old Trafford.

Champions-League-Qualifikation mit dem FC Brügge

Schon an diesem Dienstag aber ist United im Hinspiel der Champions-League-Qualifikation gegen den FC Brügge gefordert. Manchester war in der Vorsaison nur Vierter und muss sich das Startrecht für die Königsklasse gegen die Belgier erst noch erstreiten. Vielleicht bestärkt ManUnited die geglückte Generalprobe unter Flutlicht. Aufgrund einer politischen Demonstration in Birmingham, der Heimat von Aston Villa, war die Partie auf Freitagabend vorverlegt worden. United hat dadurch einen Tag gewonnen für Korrekturen im Training. Angesichts von nur zwei Torschüssen gegen Villa (Treffer: Adnan Januzaj/29.) dürfte dies van Gaal gelegen kommen.

Sein einziger Stürmer Wayne Rooney gönnte sich nämlich einen freien Freitagabend ohne jede Bindung zum Spiel. Im Angriffszentrum aber ist der Kapitän konkurrenzlos. Auch deshalb ist bei Manchester United die Rückennummer "9" noch frei. Und wohl für einen stürmischen Zugang reserviert.

© SZ vom 16.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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