Mainz  - Leverkusen:Beseelt im Zentrum

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Das Ziel immer im Blick: Leverkusens Nationalspieler Julian Brandt glänzte am Freitagabend als Energiespender, Regisseur und Doppel-Torschütze. (Foto: Jörg Schüler/Getty)

Brandt, 22, und Havertz, 19, glänzen bei Leverkusen Sieg gegen Mainz. Das junge Kreativzentrum gibt den Gegnern zu viele Rätsel auf.

Von Tobias Schächter, Mainz

Wird aus Peter Bosz nun etwa doch noch ein geläuterter Langweiler? Die zweite Halbzeit habe ihm fast noch besser gefallen als die erste, sagte der Trainer von Bayer 04 Leverkusen. 4:1 hatte seine Mannschaft zur Pause beim FSV Mainz geführt und ein Spektakel geboten, wie man es in der Bundesliga in dieser Saison noch selten gesehen hatte. In der zweiten Hälfte erzielte Boszs Elf dann nur noch ein Tor und brachte den 5:1-Auswärtssieg ungefährdet über die Bühne. Bosz hat das auch deshalb gefallen, so erzählte er es später, weil er sich an eine ähnliche Führung einer seiner früheren Mannschaften erinnerte, die dann am Ende noch verspielt wurde. Bosz spielte auf seine Zeit bei Borussia Dortmund an, als der BVB unter dem Niederländer zur Pause 4:0 im Derby gegen Schalke führte und am Ende ein 4:4 stand.

Es ist ja eine der spannendsten Fragen dieser Bundesliga-Rückrunde, ob der Trainer Peter Bosz es bei seinem zweiten Anlauf in Deutschland schafft, seine offensive Spielidee ausgewogen mit defensiver Stabilität zu verbinden. Auf seiner ersten Station in der Bundesliga bei Borussia Dortmund wurde ihm das starre Festhalten am schönen Spiel ohne Kontersicherung zum Verhängnis. Auch in Mainz waren Muster dieser Konteranfälligkeit zu sehen, aber der FSV konnte aus den angebotenen Räumen keinen Profit schlagen. Besonders auffällig war eine Szene nach dem 3:1 durch Julian Brandt (36.), als die Leverkusener sich sofort nach dem Anstoß wieder mit sechs Mann auf die Mainzer stürzten und dann plötzlich mit vier Mann gegen sechs verteidigen mussten - die Nullfünfer nahmen dieses Angebot aber nicht an.

Sie war also trotz des schönen Resultats kurz ein Thema, diese fast kindliche Naivität, die Bosz in Dortmund letztlich den Job gekostet hatte. Und hatte diese in Mainz so brillant aufspielende Elf ein paar Tage zuvor bei Zweitligist Heidenheim nicht eine 1:0-Führung verspielt und sich nach der Niederlage auf der schwäbischen Alb (1:2) frühzeitig aus dem DFB-Pokal verabschiedet? In Leverkusen hoffen sie, dass diese Pleite ein einmaliger Ausrutscher bleibt.

Die bisherigen Liga-Spiele unter Bosz geben dazu auch Anlass, der Trainer hat das überragende Offensivpotenzial dieser Auswahl ohne Zweifel geweckt. Drei überzeugende Siege in der Liga in Serie haben die Leverkusener wieder an die Europapokalplätze herangeführt. Und mit der neuen 4-3-3-Grundordnung hat Bosz einen Weg gefunden, alle Offensivkönner von Bayer auf dem Platz zu haben. Vorne wirbeln Karim Bellarabi und Leon Bailey auf Außen, Kevin Volland ackert in der Mitte, und hinter den drei Stürmern führen die neuen Achter Julian Brandt, 22, und Kai Havertz, 19, einen zum Weinen schönen, genial geradlinigen Fußball auf.

Zwei so Kreative hinter drei so schnellen Stürmern - das gibt den Gegnern zu viele Rätsel auf

Die beiden Nationalspieler spielten in Mainz so erhaben, wie es nur ganz außergewöhnliche Talente können. Vor allem Brandt wirkt durch die Versetzung von der Außenbahn ins Zentrum beseelt. Er traf zwei Mal und bereitete zwei weitere Treffer vor. Außen sei man gebunden, sagt Brandt: "Jetzt kann ich wie ein Freigeist hin und her laufen und bin direkt im Zentrum, wo es gefährlich wird." Für Bosz ist Brandt "kein Flügel-, sondern ein Zentrumspieler, denn guten Spielern muss man so oft wie möglich den Ball geben".

Das klingt banal, hat aber für das Leverkusener Spiel spektakuläre Auswirkungen. Zwei so ballsichere und kreative Spieler wie Havertz und Brandt hinter drei so schnellen Stürmern stellen die gegnerische Defensive vor zu viele Rätsel. Brandts Aufschwung in neuer Rolle könnte diesem auch in der Nationalmannschaft neue Möglichkeiten eröffnen, auch dort war er bislang als Außenbahnspieler verortet.

Bayer und Bosz verbindet, in der Vergangenheit an sich selbst gescheitert zu sein. Gemeinsam nun konstant Spektakel und Ergebnisse zu liefern, ist das Ziel. Nächsten Donnerstag in der Europa-League in Krasnodar könnte schon ein neues Heidenheim drohen. Brandt aber sagt: "Wir gehen diesen Wettbewerb ganz seriös an. So etwas wie in Heidenheim wollen wir nie wieder erleben."

© SZ vom 11.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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