Magdalena Neuner fehlerfrei im Biathlon-Sprint:Weiße Scheiben, so groß wie Wagenräder

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"Es gehört im Sport dazu, dass man sich aus Niederlagen auch mal rauskämpft": Zwei Tage nach ihrem Fiasko in der Staffel holt Magdalena Neuner beim Biathlon-Sprint in Oberhof ihren 27. Weltcup-Sieg - und ist jetzt gerüstet für die letzten Aufgaben in ihrer Karriere.

Volker Kreisl, Oberhof

Es ist also im Grunde ganz einfach, und es war Zeit, dass die Öffentlichkeit darüber informiert wird. Die weißen Scheiben, auf die die Biathleten zielen, haben in Wirklichkeit gar keinen Durchmesser von 4,5 Zentimetern (im Liegendschießen) und 11,5 Zentimetern (stehend). Sie sind in Wahrheit groß wie Wagenräder, oder, je nach Bedarf, noch größer, dann hängen in 50 Metern Entfernung fünf weiße Heißluftballone, die man gar nicht verfehlen kann.

Zehn Schuss, zehn Treffer, dazu eine überragende Laufleistung: Magdalena Neuner sichert sich beim Biathlon in Oberhof ihren 278. Weltcup-Sieg. (Foto: dapd)

Magdalena Neuner hat sie jedenfalls alle getroffen, erst die fünf im Liegendschießen, dann die fünf im Stehendschießen, und weil sie diesmal auch sehr schnell in der Loipe unterwegs war, stand am Ende dieses Sprints von Oberhof ihr 27. Sieg im Weltcup, ihr dritter Sprintsieg in diesem Winter.

Neuner erzählt sonst kaum etwas über die Arbeit mit ihrem Mentaltrainer, diesmal aber war sie wohl so glücklich über den Erfolg, dass ihr etwas herausrutschte, was vielleicht einen Einblick gewährte: "Ich habe mir einfach vorgestellt, dass die Scheiben so groß sind, dass man sie gar nicht verfehlen kann", sagte sie später, was eine denkbar einfache, aber geradezu geniale Strategie ist - wenn sie funktioniert.

Zwei Tage war es her, dass Neuner das Gegenteil widerfahren war, in der Staffel hatte sie in Führung liegend den Sieg mit sieben Fehlern und vier Strafrunden vergeben, hatte gehadert, dass sie sich gut gefühlt hatte beim Schießen, dass sie nicht verstanden habe, warum die Scheiben einfach nicht fielen und irgendwann kapituliert habe. Sie waren eben so klein wie Konfetti.

Vorstellungskraft und Motivationsarbeit

Im Ergebnis gelang der zum Saisonende zurücktretenden Wallgauerin jedenfalls auf ihrer Abschiedstournee durch die Weltcuporte ein Befreiungsschlag. Ihre Führung im Gesamtweltcup hat sie ausgebaut, ihre Laufform wird allmählich auch besser, am Sonntag im Massenstart geht sie als Favoritin ins Rennen.

Weil Neuner nach der Aufregung um ihre Rücktrittserklärung vor genau einem Monat auch die Aufregung um vier Strafrunden gemeistert hat, scheint sie für die letzten Aufgaben ihrer Karriere gerüstet zu sein. "Es gehört im Sport dazu, dass man sich aus Niederlagen auch mal rauskämpft", sagte sie fast schon lapidar, "es ist halt so, es gibt manchmal gute, manchmal schlechte Tage."

Ihr Trainer Gerald Hönig erklärte: "Ich habe schon ein bisschen damit gerechnet, dass sie heute zurückkommt." Neuner habe schließlich gelernt mit Rückschlägen umzugehen. "Sie kann das: abschalten und wieder neu angreifen." Dazu hilft ihr außer dem Zauber der Vorstellungskraft auch herkömmliche Motivationsarbeit. Neuner war am Donnerstag, dem Tag nach ihrem Strafrunden-Fiasko, in der Schießhalle und vergewisserte sich, dass ihre Waffe, ihr Anschlag, ihr Auge und ihr rechter Zeigefinger noch wie immer funktionierten. 60 Schuss hatte sie abgegeben, 59 getroffen, alles war noch in Ordnung.

© SZ vom 07.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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