3. Liga:Einer der besten Siege

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Erst durch zwei späte Tore gelingt dem TSV 1860 München ein erlösendes 2:1 gegen den Letzten Aalen. Doch die Stimmung im Stadion ist merkwürdig.

Von Christoph Leischwitz

Klack, klack, klack, hallte es in der 20. Minute durch das Grünwalder Stadion, Daniel Bernhardt klopfte sich vor einem Abstoß den Dreck von den Schuhsohlen - ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Torwart des VfR Aalen sich Zeit nehmen wollte, um den Ball wieder ins Spiel zu bringen. Der Gastgeber TSV 1860 München war endlich mal wieder als Favorit in ein Spiel gegangen am Montagabend gegen den Tabellenletzten der dritten Liga, und ziemlich genau bis zu Bernhardts Geklacke waren sie ihrem eigenen Anspruch auch gerecht geworden. Danach wurde es ein unerwartet zähes Geduldsspiel, die Unruhe auf den Rängen übertrug sich auf die Mannschaft, und am Ende stand ein glücklicher, aber letztlich auch verdienter 2:1 (0:0)-Erfolg, weil die Mannschaft ihre Nervosität doch noch überwunden hatte. Nach dem Spiel startete Routinier Sascha Mölders einen Appell an die Fans in der Westkurve. Über das Mikrofon sagte er ihnen: "Wir haben viele junge Spieler im Kader. Ich habe Pfiffe gehört, das ist nicht gut, Wir müssen alle zusammenhalten."

"Was uns fehlt, das ist mal das frühe 1:0. Wir haben die Ruhe verloren", sagt Bierofka

Zu Beginn hatten die Sechziger schnell Druck entwickelt gegen die Mannschaft von Rico Schmitt, der erst vor wenigen Tagen als Trainer des VfR verpflichtet worden war. Sascha Mölders und Markus Ziereis starteten nach zwei Minuten mit einer Kopfballstafette; Letzterer kam zum ersten Mal in dieser Saison zum Einsatz, nachdem er sich laut Trainer Daniel Bierofka in einer guten Trainingswoche empfohlen hatte. Das erste Tor schien nach mehreren scharfen Flanken und vier Eckbällen in den ersten zehn Minuten nur eine Frage der Zeit. Doch plötzlich flachte das Spiel ab. "Was uns fehlt, das ist mal das frühe 1:0. Wir haben die Ruhe verloren", sagte Bierofka später.

Lange Bälle flogen ins Niemandsland, Nico Karger vertändelte den Ball mehrmals im Dribbling. Bald begleiteten wütende Rufe und vereinzelte Pfiffe der 14 100 Zuschauer das Spiel - das Grünwalder Stadion war erstmals nicht ausverkauft. Und mitten in diese Ratlosigkeit der Sechziger hinein wurden die Aalener, die sich bis dahin so viel Zeit genommen hatten, immer mutiger. Nach 35 Minuten brachte Luca Schnellbacher den Ball zu Petar Sliskovic, der volley abzog und Torwart Marco Hiller zu einer Glanzparade zwang.

Die Zuschauer hatten sich zu Beginn der zweiten Hälfte gerade erst wieder hingesetzt, als Aalen in Führung ging: Marvin Büyüksakarya flankte aus dem Halbfeld an den Fünfmeterraum, Schnellbacher stand völlig frei und drosch die Kugel zum 0:1 unter die Latte (48.). Vieles im Spiel der Sechziger blieb auch danach noch Stückwerk, doch Chancen zum Ausgleich ergaben sich nun - Bierofka lobte anschließend den Siegeswillen: Efkan Bekiroglu scheiterte mit einem Schlenzer aus der Distanz (53.), Mölders mit einem Drehschuss (58.), Nico Karger am Pfosten (69.). Winterzugang Prince Osei Owusu kam für Ziereis, bei seiner Einwechslung wurde sein Name noch nicht besonders laut gerufen. Zehn Minuten vor Schluss feierte dann auch noch Abwehrchef Jan Mauersberger nach viereinhalb Monaten Pause wegen einer Gesichtsfraktur sein Comeback. Und dann half das Glück mit: In der 84. Minute zog Daniel Wein vom Strafraumrand ab, der Ball wurde von Torben Rehfeldt abgefälscht und kullerte vor der nur halbvollen Osttribüne ins Tor. "Ein Glückstor, aber im Nachhinein scheißegal", analysierte Wein.

Vier Minuten später schrien dann alle den Namen des neuen Offensivspielers: Owusu stand nach einem hohen Ball von Mölders genau richtig. Und tat das, was man in solch einer Situation eigentlich nicht tun soll: Er dachte nach. "Ich habe mich dann umentschieden", berichtete er - und den Ball nicht fest, sondern platziert geschossen. Er traf volley ins linke Eck. "Das sind die besten Siege", freute er sich über das späte Tor, dass die Sechziger wieder ein gutes Stück von den Abstiegsrängen entfernte. "Angekommen war ich schon vorher", sagte der 22-Jährige, der von Arminia Bielefeld gekommen war, "jetzt aber auch im Grünwalder Stadion."

Für seinen Jubel inklusive Trikotausziehen sah er dann noch die gelbe Karte, es hätte ihm nicht egaler sein können. Und weil Aalens Royal-Dominique Fennell seinen Volleyschuss nicht aufs Tor brachte (90.+3), gab es einen erlösenden Sieg zu feiern - der Abstand auf die Abstiegsränge beträgt nun, nach den ersten drei Punkten des Jahres, sieben Zähler.

Wer weiter Darlehen annehmen wolle, folge einem "vergifteten Traum", schreibt das Präsidium

Die Last-Minute-Party erlebten auch die beiden neuen Aufsichtsräte; neben Sebastian Seeböck, der in dem Gremium auf e.V.-Seite Präsident Robert Reisinger ersetzt, weilte auch Andrew Livingston im Grünwalder Stadion. Der britische Jurist rückte als Vertreter des Investors Hasan Ismaik auf die Position des zurückgetretenen Peter Cassalette. Diese Personalien hatte der TSV 1860 nach einer Aufsichtsratssitzung am Sonntagabend offiziell bestätigt. Die grundsätzliche Haltung der e.V.-Seite, die auch Seeböck stützt, hatte das Präsidium um Reisinger zuvor bereits im Vereinsmagazin bestätigt: "Weitere Kreditaufnahmen bei unserem Mitgesellschafter können kein sinnvolles Finanzierungsinstrument (...) mehr sein. Wer glaubt, es wäre egal, wie viel Schulden das Unternehmen hat, folgt einem vergifteten Traum." Der Traum vom Klassenverbleib hingegen ist hingegen seit Montagabend ganz und gar gesund.

© SZ vom 19.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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