Leverkusens Serie hält:Ein Luftloch à la Oliver Kahn

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Kampf um den Ball: Bielefelds Andreas Voglsammer (l) und Amos Pieper (4.v.l) mit Mitchell Weiser (2.v.l) und Torwart Lukas Hradecky (3.v.l) aus Leverkusen. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Leverkusen gelingt der fünfte Liga-Sieg in Serie. Trotzdem reden nach dem 2:1 in Bielefeld alle nur über das kuriose Eigentor von Bayer-Keeper Lukas Hradecky.

Von Milan Pavlovic, Bielefeld/München

Lukas Hradecky bahnte sich seinen Weg durch die Spielermenge, schnurstracks visierte er Alexandar Dragovic an und nahm ihn in den Arm. Kein Wunder, der Innenverteidiger von Bayer Leverkusen hatte kurz zuvor das späte 2:1-Siegtor in Bielefeld erzielt - aber vor allem hatte er seinem Torwart die Schmach erspart, immerzu über den kuriosen Moment in der 47. Minuten reden zu müssen. Na gut, der Finne musste trotzdem ausgiebig Auskunft über sein Eigentor erteilen - aber wenigstens konnte er dank Dragovic nun darüber schmunzeln.

Was war passiert? Leverkusen, das kurz nach Wiederanpfiff noch ungefährdet 1:0 führte (Bailey, 27.), hatte mal wieder mühelos einen Angriff der defensiv gut geordneten, aber offensiv harmlosen Arminia abgefangen. Bayers vorsichtiger Linksverteidiger Daley Sinkgraven wollte das Spiel nun geordnet aufbauen. Also spielte er den Ball sachte zurück zu seinem Torwart, der Zeit genug gehabt hätte, die Kugel zu stoppen, sich vorzulegen, Zwischenstände auf den anderen Plätzen zu erfragen, etwas ganz Banales zu tun also.

Stattdessen wollte der Finne das Spiel schnell machen. Er tippte dabei aber den Ball ungewollt mit der linken Fußspitze an, nur ganz leicht zwar, jedoch entscheidend, um ihn zwei, drei Zentimeter anzuheben, so dass Hradecky mit dem rechten Fuß in ein mächtiges Luftloch trat - und der Ball über die Torlinie kullerte. Ein ähnliches Eigentor war 1997 einmal Markus Babbel und Oliver Kahn in der Champions League unterlaufen (0:1 gegen IFK Göteborg), aber das war in einer Zeit, in der sich die Bilder von solchen "Fails", wie tapsige Missgeschicke heute heißen, versendeten. Hradeckys Eigentor wird sich schnell seinen Weg durch die Welt bahnen. "Es wird einige Youtube-Clips und Memes geben", sagte der Torwart später bei Sky, "die Leute dürfen ein bisschen lachen darüber. Klar ist das ein Scheißgefühl, aber wir haben den Kopf nicht hängen lassen."

Den Eindruck hatte sein Trainer auch. "Wir haben uns danach nicht aufgegeben", sagte Peter Bosz und schilderte die Szene zum 1:1 in einem etwas größeren Zusammenhang. Er hatte in der Umkleide noch angewiesen, Lars Bender nicht mehr aufs Feld zu lassen, ein Pferdekuss hatte den fragilen Verteidiger behindert. Dann kam der Coach an seinem 57. Geburtstag leicht verspätet zurück an die frische Luft ("Es ist in Bielefeld ein langer Weg von der Kabine zur Bank"), deshalb wusste der Niederländer noch gar nicht, wie es um den zweiten Bender-Zwilling stand, der wie sein Bruder nach einem Zweikampf mit dem Bielefelder Fabian Klos ausgewechselt werden musste - und während Bosz sich noch orientierte, "hatte ich gute Sicht auf die Situation, die zum Eigentor führte. Tja..." Ohne dass Bielefeld auch nur eine ernsthafte Chance gehabt hätte, stand es also 1:1. Bosz nannte es untertreibend "nicht die beste Phase nach der Pause, die man haben kann".

Siegtor durch einen "schimmeligen Nachschuss"

Menschen, die die Bundesliga ein bisschen länger intensiv verfolgen als der niederländische Trainer, dürften an eine Art Bielefelder Voodoo-Fluch gedacht haben, schließlich stammte Leverkusens vergangener Sieg auf der Alm aus dem 20. Jahrhundert, als Thomas Brdaric und Zé Roberto im November 1999 den 2:1-Erfolg gegen Arminias Trainer Hermann Gerland (!) sicherten - in einer Spielzeit, in der Bayer 04 den Meistertitel bekanntlich am letzten Spieltag in Unterhaching verdaddelte.

So weit ist der Werksklub noch lange nicht, auch wenn er sich nach fünf Siegen hintereinander ganz oben in der Tabelle festgesetzt hat. In Bielefeld, das ganz ordentlich die Räume schloss, sah man Leverkusen allerdings an, dass irgendwann auch die komfortabelste Spielerdecke aufgebraucht ist, wenn Verletzungen hochkarätiger Spieler den Kader ausdünnen und nach Länderspielreisen wieder ein paar Spieler von der Liste gestrichen werden müssen. Diesmal traf es Verteidiger Edmond Tapsoba, der unter der Woche das Coronavirus von zwei Spielen für Burkina Faso gegen Malawi ins Rheinland zurückgebracht hatte.

Konsequenterweise waren es dann am Ende drei Spieler, die bei Bosz sonst kaum noch Hauptrollen einnehmen, die das Siegtor erzwangen: Jonathan Tah gewann ein Luftduell, Mitchell Weisers Schuss konnte soeben noch pariert werden, und dann setzte Dragovic den Ball mit dem rechten Fuß ins Eck. Bielefelds gefrusteter Torwart Stefan Ortega nannte "das für uns typische Gegentor" nach der sechsten Arminia-Niederlage in Serie ungerechterweise einen "schimmeligen Nachschuss". Seinem Gegenüber war die Schönheitsfrage ohnehin einerlei. Lukas Hradecky kündigte als ultimative Geste für Dragovic an: "Heute gönne ich ihm so viel Bier wie er will." Dabei trinkt der Österreicher gar kein Bier.

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