Leistungsbewertung im Fußball:Der objektive Experte

Lesezeit: 2 min

Wissenschaftler in den USA und Spanien haben eine Software entwickelt, um die Leistung einzelner Fußballspieler sowie ihrer Teams ganz unvoreingenommen zu bewerten.

Wer war der beste Spieler auf dem Platz? Hat das siegreiche Team verdient gewonnen? Wer sich nicht nur auf die Einschätzung von Experten wie Günter Netzer, Jürgen Klinsmann, Mehmet Scholl und Jürgen Klopp verlassen möchte, der kann in Zukunft vielleicht auf eine Alternative zurückgreifen: Forscher in den USA und Spanien haben eine Software entwickelt, die die Leistung einzelner Fußballspieler sowie ganzer Teams nach einem Spiel beurteilen soll - und zwar völlig objektiv.

Portugals Fabio Coentrao im Spiel gegen die Elfenbeinküste. Portugal-Fan Luis Nunes Amaral möchte seine Software auch einsetzen, weil er enttäuscht vom dem Spiel. "Ich bin sehr neugierig, ob das Programm uns nicht zeigt, dass wir besser waren als ich gedacht habe". (Foto: AP)

Die Wissenschaftler Luis Nunes Amaral und Joshua S. Waitzman von der Northwestern University im US-Bundesstaat Illinois und ihr Kollege Jordi Duch von der Universitat Rovira I Virgili im spanischen Tarragona nutzten dazu die vom Europäischen Fußballverband Uefa gesammelten und im Internet veröffentlichte statistische Spiel- und Spieler-Daten wie die Häufigkeit von Ballkontakten, Torschüssen und Pässen während der Fußball-Europameisterschaft 2008. Dabei stellten sie fest, dass Faktoren eine wichtige Rolle spielen, die sich durch das reine Zuschauen kaum auswerten lassen.

"Im Fußball gibt es relativ wenig große Dinge, die sich zählen lassen", sagt Amaral. So könne man natürlich versuchen, die Leistung eines Spielers an der Anzahl der geschossenen Tore zu ermitteln. Über die Gesamtleistung des Teams sagt das allerdings noch wenig aus.

Die Software der US-Forscher lehnt sich eng an eine Methode an, mit der soziale Netzwerke bewertet werden. Das Programm betrachtet neben erzielten Toren auch die einzelnen Spieler der Mannschaft als Knotenpunkte in einem Netzwerk und misst die Zahl der Verknüpfungen zwischen diesen Punkten - also zum Beispiel die Zahl der Spieler, die an einem Spielzug beteiligt sind, sowie der Ballkontakte.

"Je mehr Wege ein Team hat, um den Ball zu lenken und ein Tor zu machen, desto besser ist das Team. Und je öfter ein Ball auf diesem Weg zu einem bestimmten Spieler abgegeben wird, desto besser ist seine Leistung", stellt Amaral fest. Ihre Ergebnisse, so berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Plos One, stimmen gut mit der Einschätzung von Sportreportern, Trainern, Managern und anderen Experten überein.

So führte ihrer Analyse zufolge der hochgelobte Spanier Xavi Hernandez die Liste der besten Spieler der EM 2008 an, gefolgt von seinem Landsmann Sergio Ramos. Unter den besten Zwanzig listen die Forscher allerdings keinen einzigen Deutschen auf. Amaral betrachtet dies als Beweis für die Messgenauigkeit des Verfahrens. Natürlich könnte man auf der anderen Seite die Analyse als Qualitätsnachweis für diese Experten betrachten und sich fragen, wozu die Software dann gebraucht wird.

Amaral ist überzeugt, dass die Software auch außerhalb der des Fußballs eingesetzt werden könnte. Unternehmen, so erklärt er ScienceNow, könnten damit beispielsweise feststellen, wer in ihren einzelnen Bereichen tatsächlich welche Leistung erbracht hat. "Die lauten Leute gewinnen am meisten Ansehen, aber mit dieser Analyse kann man ein Bild davon bekommen, wie viel der einzelne tatsächlich zum Ergebnis beigetragen hat."

Außerdem möchte er das Programm ganz im eigenen Interesse als Fan einsetzen. "Ich komme aus Portugal", erklärte er ScienceNow, "und ich war enttäuscht vom vergangenen Spiel. Ich bin sehr neugierig, ob das Programm uns nicht zeigt, dass wir besser waren als ich gedacht habe".

© sueddeutsche.de/cosa/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: