Leipzig - Mainz (15.30 Uhr):Spekulatives Gebruddel

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Vorlzeitig erlöst vom Europa-Frust: Ralf Rangnick beim 1:1 gegen Rosenborg Trondheim. (Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Viel zu lange hat Ralf Rangnick die unbefriedigenden Ergebnisse in der ungeliebten Europa League klein geredet. Die englische Woche dürfte zeigen, ob der Fokus auf die Bundesliga der richtige Kurs war.

Von Felix Haselsteiner, Leipzig/München

"Am Wochenende", sagte Kapitän Willi Orban Ende November, "müssen wir wieder zeigen, was wir können." Ralf Rangnick, Trainer von Rasenballsport Leipzig, begann damals ebenfalls einen Satz mit "am Wochenende", an einem Donnerstagabend wohlgemerkt, an dem seine Mannschaft gerade in Salzburg verloren hatte. Ein Weiterkommen in der Europa League war nun nicht mehr aus eigener Kraft möglich. Das schien damals nicht weiter schlimm zu sein, was insofern überraschte, als dass ein Weiterkommen im Fußball normalerweise doch ganz gerne gesehen wird. Kapitän und Trainer sprachen jedoch bereits in Einigkeit lieber über das nächste Bundesligaspiel am Sonntag, Orban sprach sogar noch über den neuen Rasen in der Leipziger Arena, auf den er sich schon sehr freue. Friedlicher, so schien es, hat noch nie ein Verein einen Wettbewerb aufgegeben.

17 Tage später jedoch hat sich der Wind ein wenig gedreht. Mit einem spielerisch erneut sehr mageren 1:1 im Heimspiel gegen Rosenborg Trondheim verabschiedete sich Leipzig aus dem internationalen Geschäft, diesmal nicht nur gefühlt, sondern auch faktisch. Die Bundesliga schien am vergangenen Donnerstagabend erst mal nicht allzu bedeutend zu sein, zumindest sprachen sie längst nicht so ausführlich darüber, geschweige denn über das Geläuf im Stadion. Immerhin waren Kapitän und Trainer sich erneut einig. Orban sagte: "Die Enttäuschung ist riesig." Rangnick sagte: "Die Enttäuschung ist riesig." So taktisch und abgesprochen die geballte "Dann halt keine Europa League dieses Jahr"-Haltung noch in Salzburg gewirkt hatte, so ehrlich klang die Frustration nun. Allein, sie kam zu spät. Man könnte es deutlich formulieren: Erst nach dem Ausscheiden wirkten die Leipziger zum ersten Mal in dieser Gruppenphase wirklich interessiert an der Europa League.

Timo Werner etwa soll nach 90 Minuten ohne Einsatz in der Pressezone den Journalisten zugerufen haben: "Das ist kein Wunder, wenn man die halbe Mannschaft austauscht." Sowohl Rangnick als auch Werner bestritten die Aussage zwar am Freitag, der Stürmer sagte, er habe aus Ärger "vor sich hingebruddelt". So charmant das im Dialekt klingen mag, Werners Gebruddel (hochdeutsch: leises vor sich hin Schimpfen) ist Teil einer Debatte, die Leipzig seit einiger Zeit begleitet und in der die Spekulationen des Ralf Rangnick eine wesentliche Rolle spielen.

Leipzig hätte sich ein Vorbild an Frankfurt nehmen können

Der 60-Jährige gab nach dem Spiel offen zu, dass man vermutlich in der nächsten Runde stünde, hätte er jedes Mal die beste verfügbare Mannschaft aufgestellt. "Aber ich bin hundertprozentig sicher, dass wir in der Liga dann keine 25 Punkte hätten, sondern 15 oder 16", sagte Rangnick weiter. Dass er sich über das Ergebnis gegen Trondheim ärgerte, war dem Sportdirektor und Trainer in Personalunion anzuhören, und doch: Die Aussage passt in das offen kommunizierte Desinteresse der Leipziger an einem europäischen Wettbewerb, der nicht Champions League heißt und in dem sie nicht einmal im Stande waren, gegen die zuvor punktlosen Norweger die nötigen drei Punkte zu holen, die dank des gleichzeitigen Sieges von Salzburg gegen Celtic Glasgow gereicht hätten.

Die Fragen, die daher nach dem Spiel durch die Medien geisterten: Wenn die Europa League so unerwünscht ist, warum quälte sich Leipzig dann im Sommer während der Vorbereitung durch die Qualifikationsduelle in Craiova (Rumänien) und Luhansk (Ukraine)? Und waren denn nicht einmal Spiele vor dem vielgelobten Publikum in Glasgow oder das sogenannte Dosico gegen Salzburg Grund genug, um den doch recht fleißig mitreisenden Fans mehr zu bieten als eine B-Elf und ein paar arrogant anmutende Aussagen über den Wettbewerb, in dem andere Vereine wie Eintracht Frankfurt vormachen, wie reizvoll er sein kann?

Die entscheidende Frage jedoch wird sich Ralf Rangnick möglicherweise schon in der Winterpause stellen lassen müssen. Wenn der internationale Wettbewerb nämlich schon mehr oder weniger freiwillig aus den Händen gegeben wird, um in der Liga Punkte zu sammeln, sollte das dann besser auch geschehen. Gegen Trondheim war Leipzigs Vortrag vor allem in der ersten Halbzeit spielerisch sehr mager. Wie viel Schaden der Auftritt hinterlassen hat, wird sich in der abschließenden englischen Woche zeigen, in der Leipzig auf Mainz (Sonntag, 15:30 Uhr), den FC Bayern und Werder Bremen trifft. Alles andere als ein einfaches Restprogramm, aber immerhin eines, das Aufschluss darüber geben wird, ob sich Rangnicks riskante Taktik gelohnt hat, den Fokus so deutlich auf die Liga zu setzen.

© SZ vom 16.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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