IAAF-Präsident Sebastian Coe gerät durch den zweiten Bericht der unabhängigen WADA-Kommission weiter unter Druck. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass es "keine Möglichkeit" gebe, dass das IAAF-Council nichts von den verdächtigen Vorgängen rund um positive Dopingproben russischer Leichtathleten gewusst habe. "Es ist unglaubwürdig, dass gewählte Offizielle nichts von der Situation in der russischen Leichtathletik mitbekommen haben", heißt es in dem Bericht.
Coe gehört seit 2003 dem Council des Leichtathletik-Weltverbandes an, von 2007 an war er Vizepräsident. Zudem stellt der Bericht fest, dass Korruption "in der Organisation verwurzelt" gewesen sei. Für die Vorgänge könne "keine kleine Zahl von Tätern verantwortlich gemacht werden". Trotz der Vorwürfe unterstützt Richard Pound, Vorsitzender der unabhängigen WADA-Kommission, weiterhin Sebastian Coe. "Die IAAF hat nun die Möglichkeit, sehr viel verlorengegangene Reputation wieder zu gewinnen. Ich kann mir für diesen Prozess keinen Besseren vorstellen als Lord Coe", sagte Pound. "Ich möchte nicht die Fehler eines ganzen Councils [...] einer Person anlasten. Man lernt aus Erfahrungen, wie wir im IOC ebenfalls schmerzlich erfahren mussten. Ich glaube, auch die Leichtathletik will das und wird das schaffen."
IAAF weist vorab alle Anschuldigungen zurück
Noch am Montag hatte die IAAF in einer Stellungnahme erklärt, es habe keine systematische Korruption gegeben. Auch Coe hatte am Mittwoch Vertuschungsvorwürfe gegen seinen Verband zurückgewiesen. "Die Sache ist einfach: Wurden alle Unregelmäßigkeiten verfolgt? Die Antwort lautet: Ja. Wurden Strafen verhängt und publik gemacht? Ja. Wurde etwas vertuscht? Nein", hatte Coe in Fernsehinterviews erklärt. Im ersten Teil hatte das Gremium massive Dopingverfehlungen in der russischen Leichtathletik festgestellt, unter anderem wurde daraufhin der russische Verband ARAF aus der IAAF ausgeschlossen. Den russischen Leichtathleten droht damit das Aus für Olympia in Rio.
Gegen den ehemaligen IAAF-Präsidenten Lamine Diack und weitere Beschuldigte läuft in Frankreich ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption und Geldwäsche. Die Ethikkommission des Verbandes sperrte in der vergangenen Woche Diacks Sohn Papa Massata, den ehemaligen IAAF-Schatzmeister und russischen Leichtathletik-Präsidenten Walentin Balachnitschew sowie den ehemaligen russischen Cheftrainer Alexej Melnikow lebenslang. Gabriel Dollé, ehemaliger Leiter der Anti-Doping-Abteilung der IAAF, wurde für fünf Jahre gesperrt.
Doping:Leichtathletik steht am Abgrund
Der Weltverband IAAF soll seit langem von massivem Doping in Russland gewusst haben. Weltweit stehen 12 000 verdächtige Blutproben zur Disposition. Weitere Enthüllung werden erwartet.
Der deutsche Verband will außerordentlichen IAAF-Kongress beantragen
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wird im Zuge des Doping- und Korruptionsskandals einen außerordentlichen Kongress des Weltverbandes IAAF beantragen. "Der DLV wird die Einberufung eines Kongresses fordern", sagte DLV-Präsident Clemens Prokop am Donnerstag. "Die Vorwürfe gegen die IAAF sind so schwerwiegend, dass sie auf einer Versammlung aller Mitglieder beraten werden muss." Der Antrag solle am Freitag auf den Weg gebracht werden.