Leichtathletik:Cash um jeden Preis

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Die IAAF hat Probleme, die Leichtathletik unters Volk zu bringen und für Sponsoren attraktiv zu halten. Der Abwärtstrend verstärkt sich. Mancher sieht schon die Todesspirale.

Thomas Kistner

Wenn etwas in der Leichtathletik ähnlich rasant unterwegs ist wie Usain Bolt, ist es die Krise. Zu verdanken ist sie dem nachlassenden Interesse an diesem Sport in der wirtschaftsstärksten Region, in Europa. Warum hier die Zuschauergunst schwindet, zeigen gewisse Zahlen. Leichtathleten vom alten Kontinent gewannen noch bei der WM 1987 in Rom 75,2 Prozent der Medaillen. Seitdem ging's rapide bergab: 50,4 in Paris 2003; 46 Prozent in Helsinki 2005; 43,3 in Osaka 2007; nur noch 37,3 Prozent bei der WM 2009 in Berlin.

Das sorgte für Einbrüche in der Publikumsgunst, was auf die Fernseherlöse durchschlägt. 2009 legte der europäische Senderverbund EBU, langjähriger Partner des Weltverbands IAAF, ein von 80 auf 63 Millionen Dollar reduziertes Angebot vor, die Funktionäre suchten Zuflucht in einer 80-Millionen-Offerte der IEC-Gruppe, dahinter steht Medienzar Lagardere. Der hat nun Mühe, die Ware loszuschlagen, was das Problem verschärft, die Leichtathletik unters Volk zu bringen und für Sponsoren attraktiv zu halten. Folge: Der Abwärtstrend verstärkt sich. Mancher sieht schon die Todesspirale.

Es gibt Anzeichen, die diese Lesart stützen. Die Frage ist ja, was braucht der angeschlagene Sport mehr: Interesse durch weitreichende TV-Präsenz - oder Cash, schnelle Kohle? Letzteres, sonst wäre nicht so kurzsichtig entschieden worden. Das nährt den Verdacht, der sich aus jüngsten Warnungen des Schatzmeisters und der Ankündigung von Sparhaushalten ergibt: Jeder Dollar wird dringend gebraucht, die IAAF lebt über ihre Verhältnisse.

Da kommt IAAF-Boss Diack ins Spiel. Seit ihm das Amt 1999 durch den Tod des Vorgängers Nebiolo zufiel, pflegt der Senegalese eine (wenn nicht anti-europäische) stark pro-asiatische Marktpolitik. Und eine afrikanische Entwicklungspolitik, jedenfalls, wenn man Diacks Eigeninteressen hinzu zählt. Als selbstherrlich und undemokratisch lässt sich Diacks Führungsstil beschreiben, die geschäftliche Rolle seines Filius' erscheint, wie so oft im Weltsport, als recht sinister.

Auch den Entscheid für die IEC-Offerte traf der 76-Jährige wohl im Alleingang, ohne das Council zu befragen. Nun will er wieder antreten, um 2012 vom IAAF-Thron direkt ins Präsidentenamt von Senegal zu wechseln. Das ist so die Art von Fürsorge, die ein moderner Weltsportführer hegt. Die Europäer aber schauen hilflos zu, ihre Helden Coe und Bubka rangeln miteinander. Denn eines gilt im Sport über alle Grenzen und Kontinente hinweg: Es gibt halt keinen, dem es um die Sache geht.

© SZ vom 15.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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