Langlauf:Coup der Ein-Frau-Firma

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Unverhofftes Siegesglück: Laurien van der Graaff nach ihrem Sieg beim Freistil-Sprint zum Auftakt der 12. Tour de Ski. (Foto: Peter Schneider/AP)

Die Schweizerin Laurien van der Graaff gewinnt den Freistil-Sprint zum Auftakt der 12. Tour de Ski. Sie hatte zuvor noch nie einen Weltcup gewonnen - doch Überraschungen passen in ihren Lebenslauf.

Von Christian Brüngger, Zürich/Lenzerheide

Es schien mal wieder ein typischer Arbeitstag im Leben der Langlauf-Sprinterin Laurien van der Graaff zu werden. Zum Auftakt der 12. Tour de Ski verpasste die Schweizerin auf der Lenzerheide die direkte Qualifikation fürs Finale als Vierte ihrer Halbfinal-Serie. Fast immer war die 30-Jährige zuletzt ja im Vorzimmer der Besten hängen geblieben. Diesmal aber kam alles anders. Van der Graaff kam dank ihrer Zeit weiter - und schoss dann im Finale plötzlich als Erste auf die Zielgerade. Sie siegte souverän.

Es war eine Triumphfahrt, die die Davoserin mit holländischen Wurzeln selbst überrascht haben dürfte. Platz 18 war ihr bislang bestes Resultat in diesem Olympiawinter gewesen, in dem sich für sie sportlich noch nicht besonders viel Gutes zugetragen hatte. Doch Überraschungen passen in van der Graaffs Lebenslauf.

Bei den Olympischen Spielen 2014 schied sie aus - und erfand sich neu

Vor sechs Jahren sprintete sie im Weltcup erstmals aufs Podest. Es war ihr rascher und unerwarteter Aufstieg in die erweiterte Weltspitze, die sie jedoch trotz zwei weiteren Top-Drei-Platzierungen (2014 und 2015) nur phasenweise erreichte. Bei den Olympischen Spielen 2014 schied sie früh aus - und entschied, sich neu zu erfinden. Als Sprinterin ohnehin schon spezialisiert, konnte sie nur im Skating mit den Schnellsten mithalten. Doch der Olympia-Sprint von 2018 wird in der klassischen Technik ausgetragen. Also lernte van der Graaff den traditionelleren der beiden Stile. Sie sagt, ihre technischen Defizite mittlerweile wegtrainiert zu haben. Zu Topresultaten hatte es allerdings bislang noch nicht gereicht.

Van der Graaff ist eine Art Pionirin der Schweizer Langlauf-Szene, sie bereitet sich stets in einem Privatteam auf den Winter vor, muss deshalb als Eine-Frau-Firma Trainer und Trainingslager mehrheitlich selber bezahlen. Der Schweizer Verband betrachtete ihren Alleingang zu Beginn kritisch. Van der Graaff konnte aber immer auf die finanzielle Hilfe ihres Vereins TG Hütten im Zürcher Oberland, und auf die Unterstützung privater Sponsoren zählen. Und zuletzt half ihr nach einem Generationenwechsel im Nationalteam der Frauen die Ausgangslage: Sie war die einzige Schweizerin mit guten Weltcup-Perspektiven. Da konnte es sich der Verband schlicht nicht leisten, allzu störrisch zu sein.

Mittlerweile sind zwar junge Athletinnen nachgerückt, van der Graaff und Verband aber haben sich längst arrangiert. Sinnvollerweise, wie der Sieg am Samstag zeigte.

© SZ vom 31.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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