Kritik an Länderspiel Spaniens:Kicken beim Diktator

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Spaniens Nationalspieler Santiago Cazorla (li.) und Pedro Rodriguez: Vorbereitung auf ein umstrittenes Länderspiel (Foto: AFP)

Darf die spanische Nationalmannschaft ein "Freundschaftsspiel" im diktatorisch geführten Äquatorialguinea absolvieren? Die Opposition fordert einen Boykott des Spiels. Der Fußballverband argumentiert so, wie es der Weltverband Fifa in ähnlichen Fällen immer tut: mit einem Bekenntnis zur Neutralität.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Ach, der Ball und die Politik! In Spanien wird gerade die alte Frage verhandelt, ob der internationale Fußball überhaupt je neutral sein könne, politisch unschuldig gewissermaßen, ob sich die beiden Welten ernsthaft trennen ließen? Anlass ist ein Freundschaftsspiel der spanischen Nationalelf am Samstag in Malabo, der Hauptstadt des kleinen, diktatorisch geführten westafrikanischen Staates Äquatorialguinea. Die Zeitung El País schreibt von "gefährlichen Freundschaften" der weltmeisterlichen "Roja". Vier spanische Oppositionsparteien forderten einen Boykott des Spiels: "Fußball ist mehr als nur Fußball", hieß es in ihrem Appell. So viel Aufregung war schon lange nicht mehr.

Äquatorialguinea also, ausgerechnet. Amnesty International erinnerte an die vielen Menschenrechtsverletzungen, die sich der Langzeitherrscher des Landes, Teodoro Obiang, in seiner schon 34 Jahre währenden Regentschaft zu Schulden kommen lassen habe. Transparency International zählt das Regime zu den korruptesten und kleptokratischsten der Welt. Eine kleine Elite schöpft große Öleinnahmen ab, während 80 Prozent der Bevölkerung in Armut leben. Geht man da freiwillig hin, um Fußball zu spielen? Ist es weltmeisterlich, dem Autokraten damit eine Bühne zu bieten für seine Propaganda?

Der spanische Fußballverband argumentiert so, wie es der Weltverband Fifa in ethisch ähnlich heiklen Fällen immer tut: mit einem reflexartigen Bekenntnis zur Neutralität.

Es gebe keine protokollarischen Termine mit dem Staatspräsidenten, ließ der Verband ausrichten, doch man könne schlecht verhindern, dass der auf der Ehrentribüne Platz nehmen werde. Es gehe allein um die Förderung des Fußballs in einem Land, mit dem man sportlich eine brüderliche Freundschaft unterhalte. Im Klassement der Fifa scheint Äquatorialguinea auf Rang 119 auf. Die Spanier verzichten fürs Antreten sogar auf die Gage.

In der Regel verlangt der Weltmeister für ein Testspiel drei Millionen Euro. Es hatte auch Verhandlungen mit Russland, Angola und Gabun gegeben, doch niemand mochte bezahlen für 90 Minuten Fußball-Nachhilfe. So fiel die Wahl auf Äquatorialguinea, als Etappe auf dem Weg zum nächsten Kick in Südafrika.

Mit der früheren Kolonie ist man generös: Nur die lokalen Transporte und die Übernachtung übernimmt der Gastgeber. Und so landeten die Spanier am Freitag in Malabo, fuhren auf frisch geteerter Straße nach Sipopo, vorbei an feudalen Villen und großen Postern Obiangs bis zu einem Hotel mit Golfplatz, Privatstrand und Krankenhaus. 580 Millionen Euro hat die Anlage gekostet. Sie ist eine Oase im Land, ein Symbol für das Prassen des Diktators.

Vom wahren Äquatorialguinea werden Iniesta, Casillas & Co. nichts sehen - selbst wenn sie wollten, was aber unwahrscheinlich ist. Als man Trainer Vicente del Bosque fragte, ob ihn die ganzen Umstände nicht doch ein bisschen störten, sagte er: "Ich äußere mich nur zu sportlichen Belangen, für den Rest wenden Sie sich an einen anderen Schalter." Damit könnte er den Präsidenten des spanischen Verbandes gemeint haben: Angel Villar Llona, Organisator des Spiels. Doch auch der mochte nicht reden.

"Sie sind frei, mir die Fragen zu stellen, die sie wollen", sagte er, "und ich bin frei, zu antworten oder nicht." Von Villar heißt es immer mal wieder, er sei ambitioniert, Sepp Blatter bei der Fifa zu beerben. Da verspielt man wohl keine Stimme leichtfertig.

Der Trainer von Äquatorialguinea ist ebenfalls Spanier, einer, der in Aktivzeiten mit Blutgrätschen einen Weltruf erwarb: Der Baske Andoni Goikoetxea setzte als Manndecker unter anderem Diego Armando Maradona und Bernd Schuster übel zu. Wenn er seinen Akteuren auch nur eine Nuance des Spielbisses vermitteln kann, der ihn früher selber oft übermäßig antrieb, dann könnte das ein intensives Freundschaftsspiel werden.

An Anreizen mangelt es ohnehin nicht, auch an finanziellen nicht. Obiangs Sohn Teodorín - Vizepräsident und möglicher Nachfolger an der Staatsspitze, ein Mann mit schier obszön luxuriösem Lebensstil und meist wohnhaft im schönen XVI. Arrondissement von Paris - versprach dem Nationalteam fünf Millionen Euro Prämie, sollte es wider Erwarten gegen Spanien gewinnen. Für ein Tor gäbe es 50 000 Euro.

Er hat leicht reden, der Teodorín, das Geld ist ja nicht seines.

© SZ vom 16.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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