Kommentar:Griff zur Lupe

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Zur EM ohne Bundestrainer: Die deutschen Eissprinter kritisieren die Personalentscheidungen des Präsidiums. (Foto: Zhang Cheng/dpa)

In der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack Gemeinschaft, einem der kleinsten Sportverbände hierzulande, werden derzeit die größten Verwerfungen beklagt. Es geht um Athletenrechte, Mitsprache und Transparenz.

Von Barbara Klimke

Aus gegebenem Anlass richtet sich der Blick diesmal nicht auf die größten, sondern auf die kleinsten Sportverbände hierzulande. Winzling des Jahres, statistisch gesehen, ist die Gemeinde der Skibob-Fahrer mit 399 Mitgliedern. Es folgen Curler (766), Wellenreiter (1279) und Wasserskifahrer (2864). Aber noch weit hinter dem Rasenkraftsport- und Tauziehverband, mit 9370 eingeschriebenen Anhängern gewissermaßen eine Macht unter den Orchideenfächern des breiten Sportangebots, rangiert die ehemalige Renommiervereinigung: die Eisschnellläufer.

Lediglich 2977 Mitglieder verzeichnet die Deutsche Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft (DESG). Jene Organisation also, in der die heftigsten Verwerfungen und größten Auseinandersetzungen in der gegenwärtigen Sportlandschaft ausgetragen werden. "Eigeninteressen" und "persönliche Rachepläne" hatten Athleten zu Wochenbeginn offen beklagt; seitdem ist auch von "Einschüchterungsversuchen" und "Drohungen" die Rede. Eine derart alarmierend lange Liste der Vorwürfe würde in den Millionenverbänden, bei Fußballern, Turnern oder Tennisspielern, die Medien seitenweise mit Debatten füllen. Im Eisschnelllauf hingegen wird eine exemplarische Grundsatzdiskussion über Athletenrechte, Mitsprache und Transparenz einerseits und Exekutivmacht der Verbandsführung andererseits am Rande der öffentlichen Wahrnehmung geführt. Grund genug, näher an die Vorgänge in jenem Eiszirkel heranzuzoomen, dem seit Mitte 2020 der Berliner Immobilienunternehmer Matthias Große vorsteht, der Lebensgefährte von Olympiasiegerin Claudia Pechstein.

Das jüngste Zerwürfnis resultiert aus der Tatsache, dass die Eissprinter der Nationalmannschaft die Europameisterschaften an diesem Wochenende ohne ihren Bundestrainer bestreiten müssen; die DESG hatte dessen Engagement über das Jahresende hinaus nicht verlängert, ohne Gründe zu nennen. Für viele Athleten ist die EM der wichtigste Wettkampf seit Monaten, und sie vermissen eine adäquate Vorbereitung. Doch statt die Fragen zu beantworten, statt Bedenken zu moderieren, ließ das Präsidium die Situation eskalieren. Dem Sprinter-Quartett, das sich an die Öffentlichkeit wandte, wurden Sanktionen angedroht. Wieder einmal entstand der Eindruck, dass der Verband nicht für, sondern gegen seine Sportler arbeitet.

Nun mag es triftige Gründe geben, bei der DESG, einem zuletzt bei zwei Olympischen Winterspielen medaillenlosen Verband, einen Modernisierungsschub einzuleiten. Die 2977 Mitglieder haben Große dazu im September mehrheitlich das Mandat erteilt. Mitten in der vorolympischen Saison wurden nun diverse Trainerämter, auch eine Stützpunktleiterstelle nicht verlängert; die neue Cheftrainerin hat nach drei Monaten entnervt aufgegeben; zehn Stellen sind auf der Website des Verbands ausgeschrieben. Das muss man den Betroffenen erklären. Wenn nicht, setzen sich die Handelnden - wie in jedem öffentlichen Bereich - dem Verdacht der Willkür aus: dem Vorwurf, dass nicht Kompetenzen entscheiden, sondern Loyalitäten.

Sportverbände können nicht ausschließlich nach Unternehmerart geführt werden. Sie sind keine Kommanditgesellschaften - sie sind Dienstleister für die Sportler, für die sie eine Fürsorgepflicht tragen. Und weil der mit Steuergeld geförderte Sportbetrieb ein klar gegliedertes Kontrollsystem bereitstellt, ist es richtig, dass dieses nun aktiv wird. Der Deutsche Olympische Sportbund als Dachverband hat mit seinem Präsidenten Alfons Hörmann bislang öffentlich wahrnehmbar keinen Bedarf gesehen, die DESG zu einer Aufklärung aufzufordern oder diese selbst vorzunehmen. Wohl aber die zweite Aufsichtsinstanz, die Politik. Abgeordnete des Deutschen Bundestags verlangen nun Aufklärung über die Hintergründe umstrittener Personalentscheidungen und die damit verbundene Verwendung von Fördergeldern. Das Präsidium der kleinen DESG muss um Stellungnahme gebeten werden. Der Sportausschuss des Bundestags tut gut daran, zur Lupe zu greifen.

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