Kolumne "Tokio Hotel":Nicht nur klimaneutral sondern direkt klimapositiv

Lesezeit: 2 min

Steht hier definitiv vor einem klimapositiven Baum: IOC-Präsident Thomas Bach (rechts). (Foto: Chris Trotman/Getty Images)

Das Internationale Olympische Komitee prahlt mitder Umweltbilanz der Spiele. Was zur logischen Folgefrage führt: Kann das IOC so die Welt retten?

Glosse von Claudio Catuogno

Die sehr entscheidende Frage, wie Olympia eigentlich klingt, muss man diesmal anders beantworten als bei früheren Spielen. Keine Menschen da, die klatschen, singen, brüllen oder stöhnen. Und trotzdem ist es nicht vollkommen still. Also ein kleiner Akustikspaziergang durch die Schwimmhalle und um die Schwimmhalle herum, dann weiß man Bescheid, dann hört man es überall. Es brummt. Es brummen die Servertürme für die Computer, es brummen die Klimaanlagen für das Pressezelt, es brummen die Busse, die mit laufenden Motoren auf die Sportler warten. Und wenn man die Treppen ganz hinaufsteigt, bis unters Dach, dann brummt dort die ganze Schwimmhalle vor sich hin.

Das Brummen ist nicht verkehrt, wenn es brummt, dann läuft es. Es brummt die Wirtschaft, es brummt das Land. Nur der Mensch, dem der Schädel brummt, hat wieder Pech gehabt, aber auch Pech gehört bei Olympia leider dazu. Und das Schöne ist: Das olympische Brummen ist gut für den Planeten! Denn die gewiss nicht in jeder, aber doch in akustischer Hinsicht brummenden Tokio-Spiele sind nicht nur klima neutral, das wäre ja einfach, sie sind klima positiv.

Die Segler könnten Windräder an ihre Masten montieren, schon wäre die Energiebilanz eine ganz andere

Das IOC und die Japaner haben da ein paar wirklich innovative Ideen gehabt. Die Radfahrer - Straßenrad, Keirin, BMX - sollten während ihrer Rennen einen kleinen Dynamo ans Vorderrad klappen, schon wäre die Energiebilanz eine ganz andere gewesen. Die Segler sollten an ihren Mast ein Windrad montieren statt des nutzlosen Tuchs. Die aus Sonnenkollektoren geknüpften Leibchen waren auch schon erfunden, damit sie von den Gehern 50 Kilometer weit durch die sengende Sonne getragen werden. Und das Luxushotel, in dem die Funktionäre wohnen, hätte man als Fernwärmefabrik nutzen können, so viel heiße Luft wird da produziert. Aber es ist ja so: Pläne machen ist leicht, Pläne umsetzen nicht. Es sind also mal wieder Ökostrom und Elektroautos, die die Bilanz schönen müssen, außerdem werden 4,38 Millionen Tonnen CO2 kompensiert. Irgendwann werden die Bäumchen schon anwachsen, die man fürs gute Gewissen gepflanzt hat.

Trotzdem, wenn Olympia jetzt klimapositiv ist: Müsste es dann nicht das ganze Jahr über stattfinden? Könnte man so die Welt retten? Das IOC sollte das schnell entscheiden, in der Klimasache besteht Zeitdruck, das ist man der jungen Generation schuldig. Vor allem den jungen Volunteers in der Schwimmhalle, die jeden Tag ihre ganze Energie aufwenden, um die Plastikschachteln, in denen hier das Essen für die Journalisten verkauft wird, wieder zusammenzusuchen - nach den Spielen werden sie sie auftürmen zu einem Plastikberg, der dem Fuji in nichts nachsteht. Die Spiele von Tokio mögen klimapositiv sein, aber sie sind definitiv plastiknegativ.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Corona in Japan
:Die größte Welle kommt während Olympia

Es sollten glückliche Tage sein für Japan: Die Spiele laufen gut, die Heim-Mannschaft ist stark. Doch die Corona-Neuinfektionen befinden sich auf einem Rekordhoch - Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten

Von Thomas Hahn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: