Köln - Hannover 1:1:Der Drei-Minuten-Sieg

Lesezeit: 3 min

Held für wenige Sekunden: Das Tor von Kölns Stürmer Claudio Pizarro wurde wieder aberkannt. (Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Erst trifft Claudio Pizarro in der Nachspielzeit für den FC, dann wird der Treffer zurecht annulliert. Der Tabellenletzte wird durch das Remis im Abstiegskampf weiter abgehängt.

Von Ulrich Hartmann, Köln

In der vierten Minute der Nachspielzeit kann sich der Videobeweis in ein Monster verwandeln. Zwei Minuten lang hatten zigtausende Fans des 1. FC Köln am späten Samstagnachmittag den 2:1-Siegtreffer durch Claudio Pizarro bejubelt. Eruptionen der Entzückung waren um 17.21 Uhr in ganz Köln zu spüren, als der FC sich dreier Punkte im Abstiegskampf sicher glaubte - doch dann wurde das Siegtor sehr spät, aber korrekterweise wegen einer Abseitsstellung des flankenden Marcel Risse wieder zurückgenommen. Es blieb beim 1:1 (1:1) gegen Hannover 96.

"Das tut weh", sagt Marco Höger. "Eine schlimme Entscheidung für den Fußball", fand gar Dominique Heintz. Köln erlebte am Samstag sein kleines Schalke, ein ganz kleines aber nur, denn Tränen wie damals in Gelsenkirchen, als Schalke 2001 am letzten Spieltag in letzter Sekunde die sicher geglaubte Meisterschaft verlor, gab es diesmal keine. Ein Sieg hätte den Kölnern gutgetan, das Remis hingegen hilft ihnen kaum weiter. "Ich kann die Tabelle lesen", sagte der Trainer Stefan Ruthenbeck trotzig, "aber ich werde nicht sagen: Das war's."

Sogar vom Gästetrainer André Breitenreiter erhielten die Kölner Worte des Trostes und des Mitleids. "Das ist bitter für den FC, aber die Abseitsposition war eindeutig." Breitenreiter konnte mit dem Unentschieden gut leben. "Der Punkt ist gut für uns, wir spielen eine gute Saison und sind noch nicht am Ziel." Wie dieses Ziel aussieht, sagte er nicht, der Begriff Europapokal kommt ihm nicht über die Lippen.

Auf den Fernsehern im Medienraum des 1. FC Köln waren vor dem Spiel eine Rosamunde-Pilcher-Schnulze und olympisches Skispringen zu sehen gewesen. Live zu zeigen, wie Fortuna Düsseldorf mit einem 1:1 gegen Greuther Fürth gerade die Tabellenführung der zweiten Liga verteidigte, war den Kölnern zu arg. Weil sie anschließend halt auch nur 1:1 spielten, kündigt sich im Rheinland weiterhin die schönste oder auch hässlichste Rochade des deutschen Profifußballs an - je nachdem, aus welcher Perspektive man betrachtet, dass der 1. FC Köln demnächst möglicherweise in die zweite Liga absteigt, während Düsseldorf womöglich aufsteigt.

Simon Terodde muss mit einer Gehirnerschütterung ausgewechselt werden

"He hält m'r zosamme, ejal, wat och passeet", waren auch am Samstag im Stadion wieder die Bläck Fööss aus den Lausprechern zu hören gewesen, aber beim FC halten im Moment überhaupt nicht alle zusammen. Vereinsvorstand und Ultra-Fans haben sich mal wieder zerstritten, das ist eine ewige Geschichte mit immer neuen Tiefpunkten. Die Ultras kommentierten das vor dem Spiel auf einem Spruchband so: "Funktionäre kommen und gehen - was bleibt, sind wir Fans." Während des Spiel beleidigten sie im Gesang dann allerdings auch noch ausgiebig Hannovers um mehr Einfluss kämpfenden Präsidenten Martin Kind.

Dem Fußball drunten auf dem Rasen waren die facettenreichen Debatten einerlei. Nach zuvor zwei Niederlagen hatten die Kölner eh andere Sorgen. Aber sie schafften es wieder ganz gut, ihre tabellarische Misere auszublenden. Auch gegen Hannover machten sie ihre Sache taktisch und kämpferisch gut. Die 1:0-Führung durch Yuya Osako nach einer halben Stunde stand symbolisch für trotziges Durchsetzungsvermögen. Bevor er den Ball seitlich von der Grenze des Fünfmeterraums ins Tor drosch, war sein Gegenspieler Felix Klaus allerdings ausgerutscht. Für Osako war es erst das zweite Bundesliga-Tor der Saison.

Die Hannoveraner zeigten das klarere Spiel und brachten die Gastgeber mit ihrem kleinkarierten Diagonalspiel immer wieder in die Bredouille. Niclas Füllkrug vollendete in der 37. Minute einen vorbildlichen Spielzug zum 1:1-Ausgleich. Dass ihre Führung nur sieben Minuten gehalten hatte, brachte die Kölner sichtlich aus der Fassung. Diesem Makel versuchten sie nach der Pause mit präziserem Stellungsspiel zu begegnen. Sie gingen auf Nummer sicher und wurden auch nicht gerade ermutigt, als ihr Stürmer Simon Terodde nach einer Stunde mit einer leichten Gehirnerschütterung ausgewechselt werden musste, weil er den Schuh des Hannoveraners Salif Sané ins Gesicht bekommen hatte. Für Terodde kam Simon Zoller ins Spiel, und fünf Minuten vor dem Ende kam auch noch Pizarro herein. Der 39-Jährige wurde nach seinem Kopfballtor in der 94. Minute schon als Held gefeiert, ehe Köln in Trauer versank.

© SZ vom 18.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: