Internationaler Fußball:Eine beispielhafte Karriere

Lesezeit: 3 min

Siegestreffer: Mit dem Rücken zum Tor nimmt Almoez Ali den Ball an, spielt ihn einmal in die Luft, zwei Mal, wartet, bis er die richtige Höhe hat und setzt zum Fallrückzieher an. (Foto: Roslan Rahman/afp)

Mit neun Toren schoss Almoez Ali die katarische Nationalmannschaft zum größten Triumph in der Verbandsgeschichte. Sein Werdegang zeigt, wie Katar zur Heim-WM konkurrenzfähig werden möchte.

Raphael Weiss

Erst wenige Stunden bevor die katarische Nationalmannschaft zum ersten Mal den Asien-Cup gewann, hatte die Mannschaft die Freigabe bekommen, überhaupt antreten zu dürfen. Grund dafür war der offizielle Protest der Vereinigten Arabischen Emirate. Der Gastgeber behauptete, dass Katar zwei Spieler ohne Spielberechtigung einsetzte. Einer von ihnen: Stürmer Almoez Ali - der Mann, der Katar zum Titel schoss und mit seinen neun Treffern den 23 Jahre alten Torrekord im Asien-Cup von Ali Daei gebrochen hat.

Es lief die elfte Minute des Finales, Japan gegen Katar. Eigentlich war die Sache klar: Japan war der Favorit, die Überraschungsmannschaft aus Katar der klare Außenseiter. Dann lupfte Akram Afif den Ball in die Mitte des Strafraums zu Ali. Halbhoch, schwer zu kontrollieren. Mit dem Rücken zum Tor nahm Ali den Ball an, spielte ihn einmal in die Luft, zwei Mal, wartete, bis er die richtige Höhe hatte und setzte zum Fallrückzieher an. Japans Torwart Shuichi Gonda reagierte spät, streckte sich vergeblich und sah den Ball vom Pfosten ins Tor trudeln. Alis neuntes Turniertor war das wohl schönste und wichtigste seiner Karriere.

Der Vergleich zwischen Almoez Ali und Ali Daei ist ein perfektes Beispiel dafür, wie sich die Position des Mittelstürmers in den letzten 20 Jahren verändert hat. Daei: 1,93 Meter groß, stakste durch die Strafräume, wartete dort auf hohe Flanken, in die er sich mit allem, was er hatte, hineinwarf. Ali: schnell, technisch stark, trickreich - beteiligt sich am Spiel und trägt den Ball selbst bis in den Strafraum. Doch das ist nicht das Einzige, was die Karriere des 22-Jährigen zeigt.

Erasmus für Fußballer

Ali ist auch ein Paradebeispiel dafür, wie Katar es geschafft hat, aus einem Fußballzwerg einen Asienmeister zu formen, der auch bei der Weltmeisterschaft 2022 konkurrenzfähig sein soll. Ali wurde im Sudan geboren. Für Katar spielt er, weil seine Mutter dort geboren wurde. Angeblich. Denn genau das bezweifelt der Verband der Vereinigten Arabischen Emirate, was fast zum Ausschluss führte. Verbürgt ist zumindest die fußballerische Laufbahn des Stürmers. Mit sieben Jahren zog er nach Katar, spielte Fußball und ging mit zehn Jahren an die Aspire Academy, der staatlichen Talentschmiede. "Seitdem ich dort war, wusste ich, dass ich in der Welt des Fußballs etwas erreichen möchte", sagte Ali dem spanischen Online-Portal Desde la Grada und fügte an: "Dort haben sie uns immer und immer wieder gesagt, dass wir, um Profis zu werden, nach Europa müssen, um dort einen neuen, besseren Fußball zu lernen."

Um ihren talentiertesten Spielern genau das zu ermöglichen, baute sich Katar ein Netzwerk an europäischen Fußballvereinen auf. Besonders drei Vereine sollten dabei helfen. 2012 kaufte die Aspire Academy den damaligen belgischen Zweitligisten K.A.S. Eupen. 2014 vereinbarte die Akademie eine Kooperation mit dem Linzer ASK, ein Jahr später erwarb sie 99,7 Prozent der Aktien des verschuldeten spanischen Drittligisten Cultural Leonesa. Ali spielte bei allen von ihnen. Mit 19 schloss er sich der Jugendmannschaft in Eupen an, spielte kein Spiel für die erste Mannschaft und wechselte nur wenig später nach Linz. "Nach Jahren in der Aspire Academy schlugen sie mir vor, dass ich nach Linz gehen solle, um mir dort einen Stammplatz zu erkämpfen. Es war schwierig, die Mannschaft war sehr gut", sagte Ali Desde la Grada. In der österreichischen zweiten Liga kam er immer wieder zu Kurzeinsätzen, schoss in sieben Spielen ein Tor und bereitete drei weitere vor.

Der Traum von Real Madrid

Ein halbes Jahr versuchte sich Ali in Linz durchzusetzen, dann wurde er nach León, in den Norden Spaniens weitergeschoben. Wieder war es sein Ziel, sich durchzusetzen. Erst bei Leonesa, später in Spaniens erster Liga, das war der Plan: "Am liebsten würde ich bei Real Madrid spielen, aber ich würde auch zu einem der anderen großen Vereine gehen", sagt er damals. Zehn Spiele und ein Tor später hatte Ali offensichtlich den neuen, besseren Fußball ausreichend gelernt: Knapp ein Jahr nach Beginn seiner Europareise wurde er zurück nach Katar gerufen, um in der ersten Liga zu spielen.

So wie Ali spielt jeder einzelne Spieler aus der Nationalmannschaft in der katarischen Stars League. Die Hälfte aller im Finale eingesetzten Spieler wurde auf ein ähnliches Auslandssemester wie Ali geschickt: Sieben ehemalige Eupen- oder Leonesa-Spieler liefen beim 3:1 gegen Japan auf und führten Katar zum Sieg im Asien-Cup und damit zum größten Erfolg der Verbandsgeschichte. Noch ist es schwer einzuschätzen, wie die Karriere von Ali weitergehen wird, ob er sich seinen Traum vom spanischen Spitzenfußball erfüllen kann und welche Rolle seine Nationalmannschaft bei der Heim-WM 2022 spielen wird. Wer Erkenntnisse über die letzte Frage sammeln möchte, sollte in den nächsten Jahren wohl die dritte spanische Liga beobachten.

© SZ vom 03.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: