Karlsruher SC:Aber ohne den Chef

Lesezeit: 3 min

Wird im eigenen Verein wohl mehrheitlich für verzichtbar gehalten: KSC-Präsident Ingo Wellenreuther. (Foto: Thomas Kienzle/dpa)

Ein Sponsorenpool will den Karlsruher SC vor der Insolvenz retten - unter einer Bedingung: Präsident Wellenreuther müsste gehen.

Von Christoph Ruf, Karlsruhe

Fans des Zweitligisten Karlsruher SC dürften ihren kita-entwöhnten Kindern derzeit gerne das Märchen "Die Sterntaler" vorlesen. Es handelt von einem Waisenkind, das "gar nichts mehr hatte außer den Kleidern auf dem Leib und ein Stück Brot in der Hand", und das dennoch selbst "Leibchen und Röcklein" verschenkte, ehe es schließlich im Goldregen stand.

Nun hat der KSC seine Habseligkeiten nicht aus Herzensgüte hergegeben, sondern eher wegen profunder Inkompetenz verloren. Doch das Bild vom Habenichts, der aus heiterem Himmel zu Geld kommt, passt ansonsten bestens zum Vorletzten der zweiten Fußball-Bundesliga. Noch am Donnerstagmittag schien es so, als steuere er unaufhaltsam auf die Insolvenz zu. Am Abend waren dann plötzlich sechs Millionen Euro zum Greifen nahe, die ein bis dato unbekannter Sponsorenpool namens "Bündnis KSC" in Aussicht stellte.

Genügend Geld also, um den Etat nicht nur bis zum 30. Juni, sondern gleich noch für die kommende Saison zu retten. "Mit den über einen Aktienkauf bereitgestellten Mitteln könnten Vergleiche mit den Hauptgläubigern geschlossen, dadurch die hohen laufenden finanziellen Belastungen stark gesenkt und die Finanzierung der kommenden Spielzeiten gesichert werden", heißt es in dem Schreiben der Investorengruppe.

Allerdings dürfte es auf der Geschäftsstelle zumindest einen Menschen gegeben haben, der angesichts des unverhofft in Aussicht gestellten Geldregens nicht ganz so glückstrunken dreingeblickt hat: Präsident Ingo Wellenreuther. Eine Bedingung hatten die potenziellen Investoren nämlich formuliert: Das Geld wird nur fließen, wenn der KSC-Präsident zurücktritt. Die drohende Insolvenz lasten sie dem Mann an, der trotz der Ausgliederung der Profiabteilung immer noch das mächtigste Mitglied im Verein ist. Es deutet vieles darauf hin, dass der Bundestagsabgeordnete bald seinen Rücktritt erklären wird.

Finanziell gesehen steht der KSC nicht erst seit gestern schlecht da, doch Corona wirkte wie ein Brandbeschleuniger. Mit jeder Woche, die ohne erwähnenswerte Einnahmen aus Ticketverkauf und Fanshop verlief, wurden die Mahnungen dringender, dass man in die Zahlungsunfähigkeit rutsche. Kürzlich schien der 15. Mai das letztes Datum zu sein, an dem der Verein noch seine eigene Handlungsfähigkeit nachweisen könnte. Dann wollte sich das Präsidium in einer virtuellen Mitgliederversammlung die Pläne absichern lassen, mit denen sie eine "Insolvenz in Eigenverantwortung" ansteuert.

In dieser Saison darf man das nach einem DFL-Beschluss tun, ohne dass einem dafür wie in epidemiefreien Zeiten neun Punkte abgezogen werden. Der KSC wäre dann der erste Erst- oder Zweitligist gewesen, der unter den Corona-Rettungsschirm gekrochen wäre, den der deutsche Fußball aufgespannt hat. Nun deutet allerdings vieles darauf hin, dass der KSC am 15. Mai wieder solvent ist.

Seit Jahren wundert es viele in der Branche, dass das sportliche Aushängeschild der Region Karlsruhe finanziell dermaßen darbt und sportlich noch unter seinen finanziellen Möglichkeiten bleibt. In den vergangenen Monaten war rund um den Wildpark zu hören, es gebe einige Unternehmen, die bereit wären, in den KSC zu investieren - allerdings nicht unter diesem Präsidium. Nun ist klar, dass das nicht nur Propaganda von interessierter Seite war.

Mittlerweile weiß man auch zumindest teilweise, wer sich hinter der Investorengruppe verbirgt, die das Geld zunächst anonym in Aussicht gestellt hatte: Neben Mittelständlern und größeren Betrieben aus der Region zählt auch die GEM Ingenieursgesellschaft zum Pool. Deren Geschäftsführer ist Martin Müller, der Wellenreuther bei der letzten Präsidentenwahl im Oktober nur knapp unterlegen war.

Die angekündigte Investition in Aktienanteile wäre echtes Geld für den KSC, der sich in den vergangenen Jahren stets über Darlehen und Besserungsscheine von Spielzeit zu Spielzeit hangelte. Die Investoren betonen in ihrem Schreiben, dass sie - abgesehen von der Personalie Wellenreuther - keine personellen Forderungen stellen. Die in Fankreisen geäußerte Befürchtung, das Bündnis plane eine Übernahme des Klubs, scheint zunächst unbegründet zu sein. In den kommenden Tagen könnten sich die Investoren konkreter zu ihren mittel- und langfristigen Zielen äußern.

Vereinsgremien scheinen das Angebot jedenfalls für seriös zu halten, zumal offenbar alle zehn Unterzeichner bereits seit Längerem beim KSC engagiert sind. Beirat, Geschäftsführung und Aufsichtsrat befürworten konkrete Gespräche mit dem "Bündnis KSC" - unter den gegebenen Bedingungen. Was heißt, dass Wellenreuther, der auch vom Fan-Dachverband "Supporters" Gegenwind bekam, mehrheitlich für verzichtbar gehalten wird. In einem publik gewordenen Schreiben des Vereinsrates heißt es: "Wir bitten Herrn Ingo Wellenreuther, sein Amt zur Verfügung zu stellen", damit könne er einen "vermutlich großen Schaden" vermeiden.

Eine Stellungnahme Wellenreuthers vom Freitagabend lässt sich auch nur so deuten, dass sein Rückzug bald verkündet werden dürfte. Er sei "grundsätzlich auch bereit, zum Wohle des KSC mein Amt als Präsident niederzulegen, wenn dies die Voraussetzung dafür wäre, dringend benötigte und anderweitig nicht rechtzeitig zu erlangende finanzielle Mittel für den KSC zu erhalten und ein geeigneter Nachfolger bereit stünde". Er verbitte sich aber Erpressungsversuche durch die Investoren. Die hätten ihn aufgefordert, eine "im Vorfeld mit dem Bündnis KSC abgestimmte Videobotschaft" zu verfassen, in der er seinen Rücktritt erklärt. Die Aufforderung, bis Sonntag um 12 Uhr sein Amt zur Verfügung zu stellen, ließ er verstreichen.

© SZ vom 11.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: