Kai Havertz:Schon mit 19 erhaben über Komplimente

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Gefragter Nationalspieler: Bayer-Profi Kai Havertz (links). (Foto: imago/Nordphoto)

Auch beim Leverkusener 2:1 in Düsseldorf setzt Kai Havertz entscheidende Impulse - Bender weckt die müden Kollegen auf.

Von Philipp Selldorf, Düsseldorf

Sensationslüsterne Menschen hofften auf einen Eklat, als sich Rudi Völler nach Abpfiff den Schiedsrichtern in den Weg stellte. Würde er gleich einen seiner berühmten Wutanfälle an Manuel Gräfe auslassen? Diese Hoffnung war vergeblich. Völler und Gräfe tauschten Umarmungen und Händeschütteln aus, "es war ein nettes Gespräch", berichtete Völler - "wir haben ja gewonnen". Das 2:1 bei Fortuna Düsseldorf stimmte den Sportchef von Bayer Leverkusen großzügig, obwohl er längst nicht mit allem einverstanden war, was Gräfe entschieden hatte: "Ich habe mir den Elfmeter noch mal angesehen - ich hätte ihn nicht unbedingt gepfiffen", tadelte Völler.

Dieser Abend hätte tatsächlich anders enden können, allerdings nicht wegen jenes Elfmeters, der Düsseldorf erst kurz vor Ende durch Rouwen Hennings noch mal heranbrachte (1:2/90.+4). Bis zur Pause bestand begründete Aussicht auf einen wütenden Völler, weil Bayer eine Halbzeit von historischen Ausmaßen gespielt hatte: Kein einziges Mal schossen die Leverkusener aufs Tor des Aufsteigers, so wenig offensiven Bayer-Tatendrang hatte es den Statistiken zufolge zuletzt vor 32 Jahren gegeben. Nach Torschüssen führte die zügig kombinierende Fortuna 8:0, allein Torwart Hradecky bot eine Leistung, die dem guten Bayer-Ruf gerecht wurde. Man habe "nichts Halbes und nichts Ganzes" gespielt, "die erste Hälfte haben wir wieder mal verschlafen", berichtete der spätere Doppeltorschütze Kevin Volland.

Zur Pause war dem Trainer Heiko Herrlich "nach Rumschreien zumute", er zügelte sich jedoch, weil er an sein Vorbild Ottmar Hitzfeld dachte ("Der hat nie rumgeschrien") - und weil er aus seiner eigenen Profizeit weiß: "Das Herz einer Mannschaft schlägt nie bei uns Trainern, das schlägt immer bei den Spielern." So machte Volland später Kapitän Lars Bender dafür verantwortlich, dass nach der Pause eine andere Bayer-Elf spielte. Benders Ansprache habe alle Müden "aufgeweckt". Tenor der wohl lautstarken Rede: "Man muss sehen, dass wir Bayer Leverkusen sind und bei einem Aufsteiger spielen."

Niemand machte diesen Unterschied deutlicher als Kai Havertz. Wie schon bei den ersten Saisonsiegen in Rasgrad (3:2) und gegen Mainz (1:0) ergriff der Nationalspieler die Initiative zu den entscheidenden Momenten. Sein Präzisionsschuss, von Torwart Rensing stark abgewehrt, brachte die Ecke, der das 1:0 folgte (50.). Und seine zärtliche Chipflanke aus dem Fußgelenk ermöglichte Volland, den Ball ins leere Tor zu legen (2:0/60.): "Danke an Havi", sprach Volland eine Widmung aus, die zur Gewohnheit geworden ist.

Anfang des Jahres hatte man bei Bayer noch geglaubt, Flügelstürmer Leon Bailey werde der Spieler sein, um den sich demnächst die Top-Klubs reißen, aber das glaubt man längst nicht mehr. In Düsseldorf ließ Havertz die Zuschauer wieder zweifeln, ob er wirklich erst 19 ist, er erfüllt bereits viele Idealanforderungen, die an Mittelfeldspieler gestellt werden. Havertz hat ein Niveau erreicht, bei dem sich Komplimente erübrigen, findet Rudi Völler: "Über Kai brauchen wir uns nicht zu unterhalten."

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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