Juventus Turin:Verlierer mit Zukunft

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Maurizio Sarri gefällt das nicht: Die Verteidigungskünste von Sami Khedira (rechts) sind unter dem neuen Juve-Coach eher nicht gefragt. (Foto: Glyn Kirk/AFP)

Juventus erlaubt sich trotz der deutlichen Niederlage gegen Real Madrid leichten Optimismus: Das eher junge Team wird zu weiten Teilen zusammenbleiben.

Von Birgit Schönau, Rom

Gianluigi Buffon spielt seit 16 Jahren bei Juventus, seit fünf Jahren ist er der Kapitän. Von den fünf Champions-League-Endspielen, die Juve nun in Serie verloren hat, musste Buffon drei erleben. Doch davon, dass das Finale gegen Real Madrid sein letztes gewesen sein soll, will der 39-Jährige nichts hören. "Ich habe noch ein Jahr Vertrag", sagt er. "Und wir sind für die nächste Runde qualifiziert, wenn ich nicht irre." Wie schon in den zwei Jahren zuvor hatte Juventus mit Pokal und Meisterschaft das Double gewonnen, zum Triple hat es wie 2015 nicht gereicht. Buffon, dessen Karriere sich dem Ende zuneigt, muss weiter auf die Krönung in Europas Königsklasse warten und schon wieder den Kopf für eine Klatsche hinhalten. 1:4, das tut weh, "denn es stimmt einfach nicht, dass es egal ist, ob man 1:2 oder 1:4 verliert".

In Cardiff hat dieser große Sportsmann wie immer Haltung bewiesen und den Gegnern zum Sieg gratuliert; dann musste sich auch Buffon von dem nur zwei Jahre älteren Präsidenten Andrea Agnelli trösten lassen, der nach dem Schlusspfiff jeden seiner Spieler umarmte, um allen zu danken für eine herausragende Saison. Niemand mochte das Versagen Einzelner beim kollektiven Blackout in der zweiten Halbzeit benennen, obwohl es offensichtlich war, dass die Offensive mit den Argentiniern Paulo Dybala, 23, und Gonzalo Higuain, 29, erstaunlich ideenlos agierte und dass Sami Khedira, 30, wie so oft dem Team zwar Struktur verlieh, aber kaum den Rhythmus des Spiels vorgeben konnte.

Der Vertrag von Trainer Allegri soll schnell verlängert werden. Plus Gehaltserhöhung

In diesem Finale wirkte Khedira wie ein Vermessungstechniker, nicht wie der Architekt, als der er sich während der Saison erwiesen hatte. Der Zusammenbruch der formidablen Abwehrmauer tat das Übrige. Drei Gegentore hatte Juves BBC (Barzagli, Bonucci, Chiellini) während der gesamten K.o.-Phase kassiert, dem FC Barcelona im Viertelfinale keinen einzigen Treffer gegönnt - nun musste sich dieses Trio Ronaldo, Casemiro und sogar dem jungen Asensio ergeben. "Wir hatten tatsächlich geglaubt, auf Augenhöhe zu spielen", bekannte Buffon. "Aber die zweite Halbzeit hat bei uns ein gefährliches Gefühl der Ohnmacht hinterlassen. Wir haben schlicht gegen die bessere Mannschaft verloren. Doch das Wie hätten wir anders gestalten können."

Zum Beispiel mit mehr Entlastung der Abwehr: "In einem solchen Spiel musst du zehn Minuten angreifen und danach zehn Minuten leiden. Aber nach der Pause wurden aus zehn problematischen Minuten erst 20, dann 30. Es war einfach klar, dass wir nicht stark genug waren." Nicht zuletzt war Juventus mit mehr Druck ins Spiel gestartet. Dieses Finale hätte endlich gewonnen werden sollen - während dann Real Madrid mit der Titelverteidigung ein historisch einmaliges Kunststück gelang, eine Sensation, mit der trotz der offenkundigen technischen Überlegenheit von Zinédine Zidanes Team nun wirklich nicht jeder gerechnet hatte. Zu gewieft hatte Juve Barcelona und später AS Monaco ausgetrickst, als dass man den Turinern nicht zugetraut hätte, auch noch Cristiano Ronaldo zu bremsen. Und nach dem Traumtor von Mario Mandzukic zum zwischenzeitlichen 1:1 schienen die Preußen Italiens soviel Oberwasser zu haben, dass sie sich sogar ästhetische Schnörkel erlaubten. Stattdessen erfüllte sich wieder einmal der Finalfluch.

Jetzt gilt es, die Zähne zusammenzubeißen und weiterzumachen. Noch in dieser Woche soll der Vertrag von Trainer Massimiliano Allegri verlängert werden, inklusive einer saftigen Gehaltserhöhung auf sieben Millionen Euro netto im Jahr. Allegri, der im Sommer 50 Jahre alt wird, hat die Mannschaft innerhalb von drei Jahren zwei Mal ins Finale gebracht. Er gilt als einer der klügsten Fußballstrategen - dass er sich Zidane geschlagen geben musste, liegt vermutlich eher an der Qualität der Spieler. Angeblich liegt dem Juve-Coach ein Angebot von Paris Saint-Germain vor, der Klub soll Allegri zehn Millionen bieten. Doch der Spross eines Hafenarbeiters aus Livorno ist ein Familienmensch, der seinem kleinen Sohn morgens das Frühstück bereitet, bevor er ihn zur Schule fährt.

Kaum vorstellbar, dass Allegri, anders als Antonio Conte, die Familie in Italien lässt, um im Ausland noch mehr Geld zu verdienen. Unwahrscheinlich auch, dass er einen Präsidenten wie Agnelli, bei dem Juve Teil der Familiengeschichte ist, gegen Scheichs aus Katar austauschen möchte. Wenn jemandem die Höhenluft nicht zu Kopf steigt, dann diesem stets zurückhaltend-bescheiden auftretenden Toskaner.

Allegri könnte in Turin eine Ära prägen, der Klub will ihn bis mindestens 2020 halten. Innerhalb kürzester Zeit hat er Juventus in die illustre Runde der besten europäischen Mannschaften geführt. Um oben zu bleiben, verlangt er jetzt Verstärkung und rennt damit bei Agnelli und seinem Geschäftsführer Giuseppe Marotta offene Türen ein. Juventus könnte sich in den nächsten Wochen um Douglas Costa (FC Bayern München) und Angel Dí María (PSG) bemühen, für den Angriff wird das senegalesische Jungtalent Keita von Lazio Rom nach Turin wechseln. In den vergangenen Jahren hat sich Juve kontinuierlich erneuert, mit Ausnahme der alten Abwehrgarde um Buffon. Nun scheint der Moment gekommen zu sein, auch diese Säulen des Teams allmählich zu ersetzen. Geld spielt keine Rolle, allein die Champions League hat Juventus 130 Millionen Euro beschert. Nur ein Cardiff-Trauma kann man sich wirklich nicht leisten.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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