Juventus Turin:Nummer 15

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Vor den beiden Begegnungen mit den Bayern wieder in beachtlicher Form: Nationalspieler Sami Khedira (links; gegen Napolis Marek Hamsik). (Foto: Giorgio Perottino/Reuters)

Nach einem Fehlstart in die Saison setzt Juventus mit dem 1:0 gegen Neapel seine Siegesserie fort - auch dank Sami Khedira.

Von Birgit Schönau, Turin

Vorbei der neapolitanische Karneval mit seinen Künsten und Kapriolen, die Fastenzeit hat Einzug gehalten und die Serie A ist wieder in Schwarz-Weiß getüncht, den strengen Trikot-Nichtfarben der alten Dame Juventus. Aus ihren Reihen düpierte am Samstagabend ein kahlköpfiger 24-Jähriger die Söhne des Vesuvs, in der 88. Minute eines Spiels, das sich über allzu lange Strecken wie eine kollektive Gedulds- und Bußübung dargestellt hatte. Dazu passte, dass das Publikum im vollbesetzten Juventus-Stadium die meiste Zeit überaus dezent blieb und auf Schmähungen der Gegner verzichtete. Die große Show im Nord-Süd-Klassiker der Erzrivalen fiel auf behördliche Anordnung aus. "Aus Gründen der öffentlichen Ordnung" hatte der Präfekt von Turin den Neapolitanern den Zutritt ins Stadion verboten, und so brachte tatsächlich keine einzige blaue Napoli-Fahne Farbe in die Schwarz-weiß-Kulisse.

Auf dem Platz sah es nach anfänglichem Schaulaufen der Gäste bald genauso aus. Neapels großer argentinischer Tenor Gonzalo Higuain wurde derart von den tiefen Stimmen eines perfekt intonierten Turiner Abwehrchors übertönt, dass er schließlich ganz verstummte. Und mit ihm der quirlige Lorenzo Insigne sowie der markige Marek Hamsik, bis zum Schluss ganz Napoli von einer grauen Ascheschicht überzogen zu sein schien. Es war aber nur der heraufziehende Nebel einer nasskalten Februarnacht, das perfekte Wetter für Juve und ihren Vollstrecker Simone Zaza. Sein 1:0, eingeleitet mit einer Diagonalen des nahezu perfekten Sami Khedira, vernichtete Napolis Träume und zementierte den Triumph der Turiner: Der Herausforderer ist vom Thron gestoßen und überholt. Und an der Spitze steht, nach nunmehr 15 Siegen in Serie, Titelverteidiger Juventus.

"Geduld wird am Ende immer belohnt", konstatierte Massimiliano Allegri. Der Juve-Coach blieb wie immer fast schon provozierend kühl. Als sich die Mannschaft ekstatisch und erleichtert auf Zaza geworfen hatte, war Allegri aufrecht und unbeweglich wie eine Statue an seinem Platz am Spielfeldrand geblieben. Und doch war es vor allem der Sieg des Trainers. Sein Kalkül, seine Coolness, gepaart mit dem Mut zur intuitiven Entscheidung haben Juventus aus den Startschwierigkeiten in dieser Saison wieder nach oben gebracht und den gern unterschätzten Allegri zu einem international umworbenen Lehrmeister werden lassen. Noch trotzt er den Sirenenrufen, die aus England kommen: "Mein Platz ist hier, der Rest interessiert mich nicht."

Und vielleicht verkörpert kein anderer Spieler seine unaufgeregte Zielstrebigkeit wie Khedira, der, wieder mal nach einer Verletzungspause zurückgekehrt, einfach da weiter macht, wo er aufgehört hatte: Mit der präzisen Konstruktion des Spiels, bedächtig, aber nicht behäbig, vor allem beeindruckend souverän und mit genügend Kondition für 90 Minuten. Schade nur, dass er im Eifer des Gefechts den Kollegen Leonardo Bonucci lädierte, für den das Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Bayern am 23. Februar nun ebenso auszufallen droht wie für den bereits gegen Neapel abwesenden Giorgio Chiellini.

Wie ein Fels in der Abwehr steht immerhin Torwart und Kapitän Gianluigi Buffon. Ein Remis gegen Neapel würde ihm schon reichen, hatte er vor dem Spiel behauptet. Nachher nicht mehr: "So ein Sieg ist wichtig, um uns zu beweisen, dass der Druck uns nicht mürbe macht." Er persönlich habe nur mit einer einzigen richtigen Parade dazu beigetragen, beschwichtigte Buffon, gegen Raul Albion habe er doch tatsächlich eingreifen müssen. 566 Minuten hat Bufon inzwischen ohne Gegentor überstanden, in der Rückrunde musste er überhaupt noch nicht hinter sich greifen.

Sicher, Champagnerfußball sieht anders aus. Die sonst dafür zuständigen Kandidaten Alvaro Morata und Paulo Dybala hielten sich zurück, während der ebenfalls der Kreativabteilung zugehörige Franzose Paul Pogba lieber die Muskeln spielen ließ als mit Kunststückchen zu prunken. Zazas Einwechslung für Morata (58.) brachte wenigstens ein paar Schaumperlen ins Spiel. Doch Juve ist nun mal vor allem solide. Die beste Abwehr der Liga war auf die beste Offensive getroffen und hatte sich mit Asketen-Tugenden behauptet.

Dabei hätte es auch anders laufen können, klagte Napoli-Trainer Maurizio Sarri, sichtlich in Katerstimmung. "Das Match war weitgehend blockiert, wir hatten sogar eine Chance mehr als Juventus." Doch Juve nutzte seine, so selbstbewusst und zynisch, wie es dem Naturell der Turiner entspricht. "Wir waren ein wenig schüchtern", schwante Sarri, vermutlich bezog sich das vor allem auf ihn selbst. Offensichtlich hatte der Coach in seinem ersten Spitzenspiel die Mannschaft nicht genügend beruhigen und motivieren können. Neben dem eleganten Allegri in seinem feinen Tuch wirkte Sarri, wie immer im Trainingsanzug und in Turnschuhen, wie ein Amateur beim Ausflug in die große Welt. Man wird sehen, wie er sich von dieser Niederlage erholt, bei Abpfiff wurde er Schulter klopfend entlassen. Juve war bereits woanders. "Wir dürfen uns", sagte der Stadionsprecher, "auf das nächste Heimspiel freuen. Es kommt der FC Bayern München." Applaus.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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