Iran: Aufregung um Protest-Fußballer:Grünes Band, rote Karte

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Nach einer Solidaritätsaktion für die Opposition endet die Nationalmannschaftszeit von einigen Fußballern. Das Regime in Teheran greift öfter in den Sport ein.

Johannes Aumüller

Der Fußball war den Machthabern in Iran noch nie so ganz geheuer. Als die Nationalelf gegen Australien die Qualifikation für die WM 1998 sicherte, kannte die Bevölkerung kein Halten mehr. Etliche Menschen strömten auf die Straße, feierten und tanzten, manche Frauen rissen sich sogar die Kopftücher herunter.

Ali Karimi gehörte zu den Spielern der iranischen Mannschaft, die mit einem grünem Band spielten. (Foto: Foto: Reuters)

Die Machthaber in Teheran waren verunsichert, wie sie mit einem der größten Menschenaufläufe seit der Revolution von 1979 umgehen sollten; schließlich ließen sie die Menge gewähren und setzten sich sogar an die Spitze der Fußballfreude. Ohne Gebet und Gottes Hilfe, so der heutige Wächterratsvorsitzende Ayatollah Dschannati, wäre der Sieg gar nicht möglich gewesen - und damit die Qualifikation für die WM. In der Vorrunde kam es ausgerechnet zum Duell USA gegen Iran - und zu versöhnlichen Gesten unter den Kickern, was vielen aus dem Staatsapparat wieder nicht gefiel.

Nun hat das Regime seinen nächsten Konflikt mit dem Fußball. Am vergangenen Mittwoch trugen beim WM-Qualifikationsspiel zwischen Südkorea und Iran (1:1) mehrere Spieler der iranischen Elf ein grünes Band - um so ihre Solidarität mit der Bewegung des offiziell unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mussawi auszudrücken. In vielen Cafés in Teheran ernteten sie dafür Applaus, kaum jemand hatte mit solch einer Unterstützungsaktion gerechnet.

Doch die Aktion hatte Folgen: Nach iranischen und britischen Medienberichten sind vier der "grünen Kicker" auf Lebenszeit aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen worden, darunter auch der frühere Bayern-Profi Ali Karimi sowie die aktuellen Bundesliga-Spieler Mehdi Mahdavikia (Eintracht Frankfurt) und Vahid Hashemian (VfL Bochum). Der Fußball-Verband dementiert das und spricht stattdessen von einem Rücktritt der Spieler. An einen freiwilligen Rücktritt glauben Beobachter jedoch nicht.

Bei einer auf Lebenszeit verhängten Sperre würde auch der Fußball-Weltverband (Fifa) unter Druck geraten. Denn die iranischen Verantwortlichen betonten in den vergangenen Tagen immer wieder die Fifa-Statuten, nach denen politische Bekundungen auf dem Platz verboten seien. Die Fifa wollte den Vorgang auf Anfrage von sueddeutsche.de nicht kommentieren.

Entgegen anderslautender Berichte sind die Bundesliga-Spieler aber nicht in Teheran festgehalten worden, sondern wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Interviewanfragen lehnen die betroffenen Vereine zwar ab, der VfL veröffentlichte auf seiner Internetseite aber ein Gespräch mit Hashemian. Darin sagt der Angreifer: "Von einer lebenslangen Sperre habe ich nur aus den Medien erfahren, niemand hat mit mir gesprochen. Meine Nationalmannschaftskarriere ist aber auch nicht so wichtig ..."

Noch ist unklar, wie viele Spieler sich überhaupt an der Aktion beteiligt haben. Die Zahlen schwanken vier und sechs. Zweifelsfrei zu sehen sind die Bänder bei Karimi und zwei weiteren Spielern. Spielführer Mahdavikia trug eine grüne Kapitänsbinde, der in der 88. Minute eingewechselte Hashemian spielte ohne Band. Das ist aber auch nicht weiter verwunderlich, denn in der zweiten Hälfte traten alle ohne Band an. Nach Informationen des Spiegels hat in der Halbzeitpause Mohammed Ali-Abadi, Chef der iranischen Gesamt-Sportorganisation und Schwager von Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad, persönlich für ein Ende der Protestaktion gesorgt.

Proteste in Iran
:Der Ayatollah hat gesprochen

Mindestens ein Dutzend Tote, Hunderte Verhaftungen und ein Video, das um die Welt geht. Nach einer Woche des Protests in Iran steht nur eines fest: Die Zukunft des Gottesstaates ist ungewiss. Die Krise in Bildern.

Diese Darstellung würde zum Gesamtbild des Verhältnisses zwischen Regime und Sport passen. Die Staatsführung mischt sich oft in den Sport ein. So sind beispielsweise direkte Aufeinandertreffen zwischen iranischen und israelischen Athleten verboten. Dem iranischen Judoka und mehrfachen Weltmeister Arash Miresmaeili wurde das bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen zum Verhängnis: Der große Gold-Favorit sollte in der ersten Runde gegen den israelischen Athleten Ehud Vaks antreten und wollte diesen Kampf boykottieren, um so seine Sympathie mit dem palästinensischen Volk zum Ausdruck zu bringen. Nach vielen Protesten revidierte er diese Haltung, erschien zum Kampf aber nicht auf der Matte - weil er beim offiziellen Wiegen Übergewicht aufwies.

Zurück in der Heimat gab es für diese Haltung 125.000 Dollar als Entschädigung für die etwaig entgangene Goldmedaille sowie viel Lob. Mahmud Ahmadinedschad, zu dieser Zeit noch Bürgermeister von Teheran, lobte, Miresmaeilis Tat werde ihm zu "ewiger Ehre" gereichen.

Miresmaeili ist kein Einzelfall. Bei Olympia 2008 in Peking sollten der Iraner Mohammad Alirezaei und der Israeli Tom Beeri im selben 100-Meter-Schwimm-Vorlauf an den Start gehen - Alirezaei auf Bahn eins, Berry auf Bahn sieben. Wegen des großen Abstandes würde es sich dabei nicht um ein direktes Duell handeln, ließ sich im Vorfeld ein Sprecher des Nationalen Olympischen Komitees Irans zitieren. Am Ende trat Alirezaei aber nicht an; offiziell wegen einer Erkrankung.

Im Oktober 2007 schwappte diese Problematik bis nach Deutschland: Der in Teheran geborene und für den DFB spielende Deutsch-Iraner Ashkan Dejagah weigerte sich, mit der U-21-Nationalmannschaft in Tel Aviv zu spielen. Seine Begründung: Er habe Angst, dass seine Familie Repressalien erleiden müsse, falls er antreten sollte. Dennoch gab es etliche Forderungen nach einem Rauswurf aus der Nationalmannschaft.

Selbst harmlose Dinge wie ein Frauenfußballspiel sind dem Regime ein Dorn im Auge. Nachdem es im Jahr 2006 zum vielbeachteten Projekt "Football undercover", dem Spiel der iranischen Frauenfußball-Nationalmannschaft und einer Auswahl deutscher Kickerinnen aus Berlin, gekommen war, verhinderten die Behörden 2007 ein Rückspiel. Offenbar hatte ihnen nicht gefallen, wie begeistert viele Teheraner Frauen auf das Spiel reagiert hatten.

Noch kurze Zeit vor den iranischen Präsidentschaftswahlen sah es so aus, als wolle Iran den Fußball als diplomatischen Wellenbrecher einsetzen. Angeblich hatten sich die Fußballverbände der USA und Irans Anfang Juni darauf geeinigt, in den nächsten beiden Jahren zwei Freundschaftsspiele auszutragen. Doch der diplomatische Charakter ist vorerst wieder passé.

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