Inflation der Handelfmeter in der Bundesliga:Bald laufen sie in Handfesseln auf

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Nach einem Handelfmeter verwandelt Huszti zum 2:1-Endstand. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Wo endet der Reflex, wo beginnt die Absicht? Bereits acht Handelfmeter hat es in der Bundesliga-Saison gegeben. Es verschärft sich der Eindruck, dass unverhältnismäßig sanktioniert wird - und dass die Hand-Regel nicht mehr funktioniert.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Die Berichterstattung zum Spiel Hannover 96 gegen den FC Augsburg beschränkt sich heute auf diesen Kommentar. Grund: Das Spiel hatte sich in die Fußball-Bundesliga verirrt. Eigentlich hätte es für die Handball-Bundesliga angesetzt sein müssen. Aber auch eine Gutschrift in der Tabelle der Handballer ist nicht möglich, denn die Niedersachsen sind durch den TSV Hannover-Burgdorf zwar erstklassig vertreten, die Augsburger aber nicht. Und der berühmteste Handballer der Stadt, der einstige Weltmeister Erhard Wunderlich, ist im Oktober 2012 verstorben.

Nichts liegt Augsburgs Fußballern ferner, als zu Wunderlichs Erben erklärt zu werden, dennoch ist die Verwirrung groß. Zunehmend müssen sie sich seit Saisonbeginn mit Fachfragen zur korrekten Hand-Habung des Spielgerätes befassen. In Hannover gleich drei Mal.

Schiedsrichter Dingert gab zwei strittige Elfmeter - den ersten gegen Hannover, den zweiten gegen Augsburg. In einer weiteren Aktion ließ Dingert unter wildem Protest weiterspielen, obwohl eine Augsburger Hand den Ball berührt hatte. "Grundsätzlich schlecht" sei es, meint Hannovers Trainer Mirko Slomka, "dass wir schon so früh in der Saison so häufig darüber diskutieren. Das bedeutet, dass irgendetwas in der Regelauslegung nicht so richtig funktioniert".

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Da schwang die Milde des Siegers mit, denn streng genommen funktioniert die Hand-Regel überhaupt nicht mehr. Laut Regelwerk gibt es Elfmeter, wenn ein Spieler im Strafraum "den Ball mit seiner Hand oder seinem Arm absichtlich berührt". Wo aber beginnt die Absicht? Wo endet der Reflex?

Das war schon immer strittig, neu ist nun, dass die Unparteiischen verstärkt darauf zu achten haben, ob ein Spieler "seine Körperfläche vergrößert". Dies war auch der Tatbestand vor dem ersten Elfmeter in Hannover: Salif Sané hatte sich weggedreht, der Ball sprang ihm von hinten an den abgewinkelten Arm.

Verstärkt wird die Verwirrung zudem durch den Quervergleich: In Nürnberg blieb ein folgenreiches Vergehen ungeahndet; Per Nilsson hatte sich den Ball zum 1:1 gegen Dortmund vorgelegt - mit dem Unterarm.

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Eine solche Szene kann natürlich mal übersehen werden. Sie steht nur in Kontrast zu den vielen Missgeschicken, die den Eindruck verschärfen, bei Handspiel werde unverhältnismäßig sanktioniert. Fakt ist eine Inflation an Hand-Elfmetern. Waren es in der Vorsaison zum gleichen Zeitpunkt zwei, sind es jetzt schon acht. Auffällig ist zudem das neue Reizklima in den Stadien, albern wird "Hand!" gebrüllt, sobald sich der Ball dem Oberkörper nähert. Es könnte sich ja lohnen: Wie schnell wird aus einem Versehen ein Elfmeter.

Zumal dem Schiedsrichter Zwischentöne nicht erlaubt sind. Er darf nicht abgestuft, also auch mal nur auf Freistoß entscheiden. Da die Profis clever sind, chippen sie den Ball nun häufiger mal in den Strafraum, weshalb die Verteidiger ihre Arme hinterm Rücken verschränken. Wer weiterhin zuckt, muss demnächst mit Handfesseln antreten.

© SZ vom 23.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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