Honda steigt aus:Ohne Power im Heck

Lesezeit: 3 min

Die Bullen verlieren ihren Motorenzulieferer: Der Rückzug von Honda aus der Königsklasse stellt das Red-Bull-Team vor Probleme. (Foto: via www.imago-images.de/imago images)

Der japanische Hersteller Honda zieht sich Ende 2021 aus der Formel 1 zurück. Ein Schock ist das vor allem für die derzeitige Nummer zwei der Serie, das Red-Bull-Team, das damit erst einmal ohne Motorenlieferant dasteht.

Von Elmar Brümmer

"Es war ein großer Schock", sagt der Teamchef. "Wir müssen unser Kerngeschäft schützen", bestimmt der Konzernchef. Die Kommentatoren sind sich einig: "Die weltweite Wirtschaftskrise hat der Firma keine Wahl gelassen." Es sind Sätze, die dem für Ende 2021 angekündigten Ausstieg von Honda als Motorenlieferanten der Formel 1 angemessen sind. Nur: alle Zitate stammen von 2008, als die Japaner schon einmal abrupt ihr Engagement in der Königsklasse des Motorsports beendeten, nachdem sie zuvor Milliarden investiert hatten. Geschichte wiederholt sich. Besser gesagt: holt die Formel 1 ein.

Nutznießer war damals der von Ferrari abgeworbene Teamchef Ross Brawn, der den Rennstall für einen symbolischen Preis übernahm - und zum Titel führte, bevor er ihn umgehend an Mercedes verkaufte. Die Chance auf einen ähnlichen Deal haben Christian Horner und Helmut Marko nicht, der Teamchef und der Motorsportberater von Red Bull Racing. Sie stehen wie das Schwesterteam Alpha Tauri in naher Zukunft ohne Power im Heck da. Der österreichische Konzern mag zwar die Dosenfabrikation perfektioniert haben, aber Hybrid-Antriebsstränge herstellen, so weit ist selbst Dietrich Mateschitz technisch noch nicht. Horner und Marko müssen also auf die Suche nach neuen Partnern gehen, und damit beginnt das Problem.

Anderthalb Jahre Vorlauf sind in der Motorenentwicklung praktisch nichts, das in der Hybrid-Ära dominierende Mercedes-Team hatte sich fast fünf Jahre auf diese Aufgabe vorbereitet. Eine ganz neue Marke scheidet damit aus, sie ist ohnehin nicht in Sicht. Blieben noch die bereits in der Formel 1 versammelten Hersteller, die prinzipiell verpflichtet sind, so genannte Kundenrennställe gegen eine Leasinggebühr mit Triebwerken auszustatten. Mercedes, Ferrari und Renault allerdings priorisieren ihre eigenen Werksrennställe. Die Italiener befeuern mit Alfa Romeo und Haas bereits zwei weitere Teams, Mercedes beliefert Racing Point/Aston Martin, Williams und künftig auch McLaren.

Honda feierte seine größten Erfolge in den 1980er Jahren

Blieben die Franzosen, die mit Red Bull und Sebastian Vettel vier Weltmeistertitel feiern konnten, sich nach der Erfolgsserie aber häufig öffentlich vom Partner diskreditieren lassen mussten. Vor drei Jahren ging die Zweckehe in die Brüche, damals sprang Honda ein, um erst Toro Rosso und dann Red Bull Racing zu beliefern. In Paris wird man vermutlich wenig Lust verspüren, sich erneut auf den aggressiven Gegenpart einzulassen. Vor allem aber auch, um nicht einen gefährlichen Konkurrenten noch stärker zu machen. Das ist die Angst, die alle potenziellen Lieferanten haben. Renault lässt bislang nur mitteilen, dass man sich der Liefer-Pflicht bewusst sei und grundsätzlich alle Regeln erfüllen werde.

Honda feierte seine größten Erfolge in den 1980er Jahren mit McLaren, der Wiedereinstieg im vergangenen Jahrzehnt mit den Briten verlief holprig - Fernando Alonso kommentierte beinahe in jedem Rennen hämisch die fehlende Motorenkraft. Der Wechsel ins Red-Bull-Lager als Nachfolger von Renault brachte mehr Ruhe in das Entwicklungsprogramm, die Motoren wurden immer besser, gelten heute als zweitstärkste Kraft. In dieser Saison sind es auch die einzigen, die die Mercedes-Überlegenheit unterbrechen konnten - mit Siegen von Max Verstappen und Pierre Gasly. Honda plant für das nächste Jahr sogar nochmal eine Motoren-Neukonstruktion - um sein Gesicht nicht zu verlieren.

Nächster Halt: Formel E

Der Honda-Rückzug hat den Top-Motorsport kalt erwischt. Der neue Formel-1-Boss Stefano Domenicali, aber auch der Automobilweltverband FIA werden zu vermitteln versuchen, denn eine Formel 1 ohne Red Bull Racing und die Filiale Alpha Tauri wäre nur ein Torso. Aller Reglementfriede samt Kostendeckelung wären gleich mit dahin. Der Ausstieg von Honda zeigt, wie groß die gegenseitige Abhängigkeit in dieser Branche ist - und wie sehr der Motorsport am Tropf der Automobilindustrie hängt. Schon Toyota und BMW hatten sich einst nach relativer Erfolglosigkeit bei enormen Kosten mit dem Hinweis auf die Nachhaltigkeitsdebatte verabschiedet. Das tut jetzt Honda auch, aus nachhaltig wirtschaftlichen Gründen. Die Pandemie hat auch bei den Japanern zu großen Umsatzrückgängen und herben Verlusten geführt. Jetzt sollen alle Ressourcen auf die Transformation zu alternativen Antrieben konzentriert werden. Bis 2050 will das Unternehmen klimaneutral sein.

Honda wird nun mit der Formel E in Verbindung gebracht, die bislang nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit generiert. Deren Erfinder Alejandro Agag hält sich mit Schadenfreude zurück: "Ich sehe es nicht so, dass es gute Nachrichten für die Formel E und schlechte für die Formel 1 sind. Das sind für den gesamten Motorsport schlechte Nachrichten. Wir in der Formel E brauchen eine erfolgreiche Formel 1, denn wir sitzen in einem Boot."

Hondas Ausstieg ist für die oberste Liga nur dann existenzgefährdend, wenn sich daraus eine Sinnkrise entwickeln würde. Oder ein Nachahmer-Effekt. Mercedes hat zuletzt allerdings einmal mehr Ausstiegsgerüchten widersprochen. Red-Bull-Teamchef Christian Horner setzt ebenfalls auf Durchhaltevermögen: "Wir bleiben dem Sport damit langfristig verbunden." Kein Wort über die jährliche Ausstiegsklausel, die sich im erst jüngst verabschiedeten Formel-1-Grundgesetz namens Concorde Agreement bietet. "Natürlich stellt uns diese Entscheidung vor eine große Aufgabe. Aber wir haben uns schon einmal in dieser Lage befunden und dabei bewiesen, dass wir gut aufgestellt sind und angemessen reagieren können." Franz Tost, dem Rennfahrer-Ausbildungsleiter und Teamchef von Alpha Tauri, fällt im ersten Schock nur ein Wort ein: "Unglücklich."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: