Hockey-EM:Zum Start eine 3:3-Niederlage

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Ernüchtert: Die Stürmer Gonzalo Peillat und Niklas Wellen. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die deutsche Hockeymannschaft gibt beim Auftakt in die Heim-EM zwei Punkte aus der Hand und steht am Montag gegen den Weltranglistenersten Niederlande schon stark unter Druck.

Von Volker Kreisl

Alles war angerichtet für ein Hockeyfest. Die Tribünen im Mönchengladbacher Hockeystadion waren vollbesetzt, die Sonne brannte auf den gewässerten Kunstrasen, und die Spieler, vor allem die Deutschen, sprinteten kurz vor der Startsirene auf ihre Positionen, um mit dem ersten Erfolg an diesem Samstagabend ihre Heim-Europameisterschaft standesgemäß zu beginnen.

Sie sind ja die aktuellen Weltmeister in diesem Teamsport. Zudem hatte das deutsche Frauenteam bereits am Freitag mit einem 4:0-Sieg vorgelegt. Und trotz aller Vorsicht und allem Respekt gegenüber jedem Gegner war es doch irgendwie klar, dass hier ein ebenso standesgemäßer, also hoher Sieg fällig war. Wales ist ja kein großes Hockeyland, es steht an 15. Stelle in der Weltrangliste, Deutschland dagegen liegt auf Platz fünf. Was also sollte passieren?

Ein 3:3-Endstand passierte dann, und zwar auf durchaus niederschmetternde Weise. Einen Punkt haben die Waliser dem Team von André Henning frech abgenommen wie den Ball mit der Kelle bei einem Tempolauf. Diese drei Punkte hätten einen beruhigenden Startvorsprung ergeben können in der Tabelle. Jetzt aber steht das Heimteam bereits unter Druck. Ein Sieg muss möglichst her im nächsten Spiel - nur, in dieser Partie am Montag um 18 Uhr geht es gegen eine der Weltmächte dieses Sports, die Niederlande, in der Bestenliste auf Platz eins. Entsprechend hatte diese Mannschaft ja ins Turnier gefunden und Frankreich mit 6:0 überrollt.

"Jetzt wird uns wohl keiner mehr zum Favoriten quatschen", sagte Henning, was vorab durchaus nicht abwegig war. Nun aber hat sich die Strategie gedreht, oder wie Torschütze Malte Hellwig sagte: "Es ist Druck auf dem Kessel." Es wird nun schwieriger werden, nicht nur wegen der Klasse des Gegners. Welche Fehler also haben die Deutschen begangen? Zweifellos ist diese Mannschaft besser, als sie es hier gezeigt hatte. In den ersten beiden Vierteln hatte sie das Spiel ja weitgehend im Griff. Sie fühlte sich ordnungsgemäß in ihre Aufgabe ein, und auch wenn es danach noch 0:0 stand, so hatte sie doch die besseren Chancen und Spielanlage.

Weltmeisterschreck aus Wales: Jack Pritchard (links) verkürzt auf 1:2, dann gelingt das Remis. (Foto: Pro Shots/Imago)

Im nächsten Abschnitt hatte sie dann ihre Attacken verfeinert. Statt hohe und weite Bälle nach vorne zu lobben, die dann doch selten von den eigenen Angreifern an der Grundlinie heruntergepflückt werden konnten, begannen sie mehr und mehr zu kombinieren. Und einer dieser klugen Flachpässe landete dann im Lauf des Angreifers Malte Hellwig, der den Ball in vollem Tempo im rechten Eck des Kastens unterbrachte.

Es wirkte wie der Auftakt zu etwas Ähnlichem wie dem, was die Niederländer am Nachmittag erfolgreich vorgetragen hatten, und nun, dachten sich vermutlich auch alle professionellen Beobachter, das Publikum und wohl auch die deutschen Spieler: Jetzt kann nichts kann mehr anbrennen, jetzt läuft's. Erst recht, als es dann bald 2:0 stand, nach einer Strafecke, die Lukas Windfeder sicher verwandelt hatte.

Die Deutschen rannten hinterher und konnten beim 1:2 nur noch zuschauen

Doch womöglich verließ diese Heimmannschaft schon in diesem Moment die Konzentration. Jedenfalls spielten die Waliser kurz danach in Unterzahl, die Deutschen verteidigten eine Nuance lässiger als zuvor, sprich: rannten beim Gegenstoß hinterher und konnte nur noch dabei zuschauen, wie Jack Richard zum 1:2 verkürzte.

Die Selbstverunsicherung eines Teams wächst oft in Wellen. Man rappelt sich wieder auf, wiegt sich in Sicherheit, hat aber nicht die nötige spielerische Überlegenheit. Man ist womöglich überrascht, dass dieser doch nominell unterlegene Gegner immer noch mithält, sogar frech kontert, nach dem Motto: Wenn wir schon nicht gewinnen, wollen wir wenigstens noch Spaß. Am Ende dieses Samstagabends in Mönchengladbach waren die Deutschen jedenfalls verunsichert: Aus dem 2:1 hatten sie erst noch ein 3:1 gemacht, dann aber hatte Wales auf 3:2 verkürzt, die Deutschen verteidigten tapfer, machten es dem Gegner aber doch wieder leicht: der Ball flog scharf Richtung Tor und Jack Pritchard hielt seine Kelle noch einmal sachte hoch, womit er der Flugbahn des Balles einen leichten Knick verlieh: 3:3.

Hennings Team konnte diese De-facto-Niederlage nicht mehr abwenden, die Zeit, die blieb, war zu kurz. Nun also steht das deutsche Männerteam bereits in einem eigenen Endspiel. Am Montag, gegen die Niederlande. "Mit sieben Punkten können wir immer noch Gruppenerster werden", sagte der Bundestrainer und kündigte an: "Wir haben es in der eigenen Hand, und ich habe maximales Vertrauen in die Mannschaft." Dennoch, auf diese frühe Spannung hätten sie gerne verzichtet.

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