Herthas Nullnummer:Platzpatronen tun's auch

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Von Javier Cáceres

In der Hauptstadt nehmen sie es mit behördlichen Verboten nicht immer so genau, das Wörtchen "Hintertür" könnte gut eine Erfindung aus Berlin sein. Aktuelles Beispiel: Ein 30-jähriger Mann namens Vincent, der von der Stadtausgabe der Bild-Zeitung gerade gefeiert wird, als wäre er der preußische Wiedergänger von Mahatma Gandhi. Böllerverbot? Pah! Vincent fiel ins nahe Polen ein und lud dort seinen Kofferraum mit Raketen im Gegenwert von 270 Euro voll - ein bisschen Spaß muss sein.

Aber es gibt auch Ausnahmen. Bei der Hertha etwa, die gerade noch wegen der Verteilung von 60 000 Fahnen in der Stadt wegen der Produktion von einer Menge außerplanmäßigem Müll gescholten wurde, hält man sich strikt an die Prohibition. Am Dienstagabend kamen die Mainzer zum Fußballspiel in der Bundesliga vorbei - jene Mainzer, die in dieser Saison bisher noch jedem Gegner auch die andere Wange hingehalten haben: elf Spiele, 25 Gegentore - die Defensivbilanz der Nullfünfer ist der aktuell schlechteste Wert der Liga (nur hinter Schalke, aber das ist bekanntlich ein Kapitel für sich). Doch siehe da: Herthas Spiel gegen den lädierten Tabellenvorletzten war eine einzige Bewerbung um den Friedensnobelpreis.

Die Heimmannschaft knallte in 90 Minuten nicht ein einziges Mal aufs Tor, nicht mal ein kleines Tischfeuerwerk gab's. Und weil die Mainzer dabei mitspielten und sich ebenfalls eines Torschusses enthielten, wurden die Zuschauer der übertragenden Bezahlsender Zeugen einer Rarität: Es ergab sich das erste Bundesligaspiel ohne Torschuss seit der Hinrunde der Saison 2015/16. Kurios genug: Die Partie damals fand auch im kalten und dunklen Olympiastadion statt, zwischen Hertha BSC und der TSG Hoffenheim, seinerzeit trainiert von Huub "Die Null muss Stehen" Stevens. Noch kurioser war, dass die Partie damals trotzdem mit einem Sieg für Hertha endete. Denn Hoffenheims Eugen Polanski traf ins eigene Tor, und das wird nicht als Torschuss gewertet.

Ein kleiner Trost für die Herthaner und Mainzer: Sie sind nicht allein! Auch der FC Sevilla, der FC Parma und Olympique Nimes haben es im Dezember geschafft, ein Ligaspiel ohne Schuss aufs gegnerische Tor zu beenden. Im Fall Hertha aber wiegt etwas anderes schwer: Das 0:0 gegen Mainz war eine Zertifizierung ihrer Mittelmäßigkeit. Im zwölften Spiel der Saison wurde der 13. Punkt gesammelt, unter Trainer Bruno Labbadia hat die Hertha insgesamt bislang mediokre 1,18 Punkte pro Partie geholt. Und das alles trotz der nun bald 374 Millionen Euro, die Investor Lars Windhorst in den Big-City-Klub in spe gepumpt hat.

Dass die Zuschauer nicht wutentbrannt aus dem Stadion rauslaufen können, weil sie erst gar nicht reinkommen, ist das eine. Das andere ist, dass einer der relevanteren Beobachter unter den wenigen Zuschauern im weiten Oval jener Windhorst ist. Und der dürfte sich allmählich fragen, ob man das Dargebotene nicht alles hätte billiger haben können.

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