Hertha BSC:Berlin lernt

Lesezeit: 3 min

Manchmal kommt noch der Spieler raus: Ante Covic zeigt beim missratenen ersten Heimspiel als Hertha-Trainer seine Ballfertigkeit. (Foto: Matthias Kern/Getty Images)

Die zunehmende Fantasielosigkeit beim 0:3 gegen den VfL Wolfsburg verschlechtert die positive Grundstimmung beim Hauptstadtklub.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Morgen danach erschien Ante Covic, 43, überaus aufgeräumt zur Arbeit. Nachgerade gut gelaunt. "Ausgeschlafen?", rief der noch immer neue Hertha-Trainer den Journalisten zu - und lächelte nicht nur, als er mit den wenigen Fans, die zum Trainingsplatz herausgekommen waren, für Fotos posierte. Als dann aber der vorangegangene Abend in Erinnerung gerufen war, das 0:3 gegen den VfL Wolfsburg also, wirkte Covic so ernüchtert, wie es die verpatzte Saison-Heimpremiere abverlangte. "Wir werden noch Zeit dazu brauchen, das umzusetzen, was wir uns vorgenommen haben", resümierte Covic.

Die deutliche Niederlage konterkarierte den klassischen Gassenhauer, der im Olympiastadion vor der Partie eingespielt worden war: "Ja, ja, ja, das ist die Berliner Luft, Luft, Luft", lautet ja der Kehrreim. Vom holden Duft, der unter dem Berliner Himmel mal zu riechen gewesen sein muss, ist dort die Rede; und davon, dass in der Hauptstadt "nur selten was verpufft, pufft, pufft". Nun wäre es übertrieben, von einem glatten Fehlstart zu sprechen. Aber die positive Grundstimmung, die nach dem achtbaren 2:2 beim FC Bayern herrschte, war nach der Pleite gegen die Niedersachsen durchaus verdunstet.

Das lag mehr an der Härte des Resultats als am nackten Spiel. Von einem Wechselbad der Gefühle sprach Covic in Anspielung an die frühen Interventionen des Videoschiedsrichters; zunächst wurde Hertha ein Strafstoß zurecht aberkannt, dann ging Wolfsburg durch einen Elfmeter von Wout Weghorst in Führung (9.), der nicht überprüft wurde. Die anderen VfL-Treffer fielen spät. Erst schloss der eingewechselte Josip Brekalo einen Konter ab (82.), und als die 90. Minute abgelaufen war, traf VfL-Linksverteidiger Jérôme Rousillion zum Endstand. Die Wolfsburger seien schon "gnadenlos effektiv" gewesen, klagte Covic. Und sie zerstäubten damit einen Anfang, der Hoffnung auf eine größere Attraktivität seiner Mannschaft geweckt hatte.

Sogar der Gegner ergoss sich hernach in Hymnen, und das nicht, um den Sieg auf diese Weise schöner zu reden, als er es war. "Berlin hat super gespielt, das muss man ganz klar sagen", betonte etwa VfL-Mittelfeldspieler Xaver Schlager. Hertha sei "spielerisch richtig gut" gewesen, habe "eine Superidee" gehabt, sich selbst "ballbesitzdominant" und "im Mittelfeld extrem präsent" gezeigt. Wolfsburgs Trainer Oliver Glasner sah das ähnlich. Und er war dankbar darüber, dass auch in Berlin hohe Temperaturen herrschten. Denn durch die Trinkpausen, die Referee Winkmann anordnete, bekam Glasner Mitte der ersten Halbzeit die Chance zu intervenieren.

Weil Hertha anfangs auf den Außenbahnen durch Mittelstädt und Kalou (links) sowie Klünter und Lukebakio (rechts) stets Überzahlsituationen geschaffen hatte, beorderte Glasner seine eigenen Außenstürmer, die normalerweise etwas zentraler agieren, strikt an die Kalklinien. Zudem schoben die Innenverteidiger "energischer hinaus". Der VfL zeigte insgesamt eine höhere Aggressivität und bewies, eine Mannschaft sein zu können, "gegen die es richtig eklig ist zu spielen", wie Schlager frohlockte. Das Resultat: Hertha ging mit zunehmender Spieldauer die Fantasie aus.

Dazu trug auch Covic bei. In der Hoffnung auf einen "Lucky Punch" wechselte er die Mittelfeldspieler Ondrej Duda und Vladimir Darida aus und verstärkte die Angriffsreihe; die Statik des eigenen Teams geriet ins Wanken. Am Ende standen bei Hertha gleich vier nominelle Angreifer auf dem Platz (Vedad Ibisevic, Davie Selke, Dodi Lukebakio und Bundesligadebütant Daishawn Redan), die sich die Räume nicht gut aufteilten. "Wir hatten zu viele Spieler auf einer Höhe", bemängelte Covic. "In der zweiten Halbzeit wollten wir zu viel", fügte der Trainer hinzu, seine Mannschaft sei dem Rückstand "phasenweise kopflos" hinterhergerannt, anstatt zu versuchen, ihn geduldig mit spielerischen Mitteln zu verkürzen. Das erleichterte dem VfL die Abwehrarbeit und bereitete letztlich den Boden für ein überdeutliches Resultat.

"Es haben uns nicht so viele Schritte gefehlt", sagte Covic nach der montäglichen Analyse des sonntäglichen Dämpfers. Nun müssen die fehlenden Schritte auf fremdem Terrain gegangen werden; auf Schalke und in Mainz stehen zwei Auswärtsspiele nacheinander an. "Niederlagen sind immer ärgerlich", sagte Covic, "wichtig ist, dass wir aus den Fehlern, die wir gemacht haben, lernen." Möglichst schnell. Denn viel Zeit bietet die Bundesliga ihren Mitgliedern nicht.

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: