Hannover 96:"Schwalbe! Wahnsinn!"

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Sieben auf einen Streich: Die aufgebrachten Spieler von Hannover 96 beschweren sich massiv bei Schiedsrichter Hartmann wegen des Elfmeterpfiffs. (Foto: Jan Huebner/imago)

Der Trainer fassungslos, der Manager Horst Heldt in Rage: Nach dem Unentschieden in Mainz fühlen sich die Hannoveraner bei mehreren Szenen benachteiligt. Nun ermittelt der DFB-Kontrollausschuss - gegen Horst Heldt.

Von Tobias Schächter, Mainz

Dass ein schnödes 1:1 zwischen Mainz 05 und Hannover 96 so viele Geschichten lieferte, lag nicht am Sport. Das hatte Hannovers Trainer André Breitenreiter sofort nach dem Abpfiff gewusst und fand das: "schade". Denn immerhin, so Breitenreiter, habe seine Mannschaft in Mainz "gemeinsam gefightet" und "diszipliniert den Plan ungesetzt". Zwar bleibt die Lage weiter prekär für den Tabellenvorletzten, aber Breitenreiter wollte zumindest darauf hingewiesen haben, dass seine Elf eine klare Leistungssteigerung zeigte.

Doch selbst Breitenreiter redete nur kurz über das Sportliche, das an diesem bizarren Abend tatsächlich zu einer Randnotiz verkam. Die Auslegung des Videobeweises stand im Mittelpunkt der Debatte. Erst getestet und dann eingeführt, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, wird er immer noch zuweilen zum Ärgernis für alle Beteiligten. Am Wochenende ließ er beide Mannschaften emotional verwirrt zurück.

Die abstiegsgefährdeten Hannoveraner ärgerten sich vor allem über jene Szene in der 86. Minute, als Schiedsrichter Robert Hartmann auf Elfmeter für Mainz entschied. Dabei hatte sich der Mainzer Stürmer Jean-Philippe Mateta beim Vordringen in den Strafraum, bedrängt von Hannovers Ostrzolek, schlicht fallen lassen. Der Videoassistent in Köln, "in Patrick Ittrich immerhin ein Bundesliga-Schiedsrichter", wie 96-Trainer Breitenreiter fassungslos bemerkte, meldete sich aber nicht; Brosinski verwandelte den Strafstoß zum 1:1.

Direkt nach dem Abpfiff wetterte 96-Manager Horst Heldt in die Sky-Kamera: "Das ist eine Schwalbe! Das ist Wahnsinn, das nicht zu sehen. Das ist nicht mehr akzeptabel, der ganze Scheiß." Nachdem Heldt mit dem Schiedsrichter in der Kabine gesprochen hatte, erklärte er dann: "Der Schiri ist genau so niedergeschlagen wie wir. Der Schiedsrichter auf dem Feld darf Fehler machen. Was aber einfach nicht funktioniert, ist der Ablauf der Korrektur." Was die Hannoveraner zusätzlich aufregte, war, dass Hartmann in der ersten Halbzeit vom Videoassistenten aufgefordert wurde, das Spiel zu unterbrechen und sich Bilder eines vermeintlichen Handspiels von Hannovers Abwehrspieler Kevin Wimmer anzusehen. Dabei hatte sich Wimmer den Ball unabsichtlich an die Hand geköpft, ein aussichtsreicher Konter von Hannover wurde unterbrochen.

"Da soll er die Klappe halten", sagte Heldt, gegen den der DFB-Kontrollausschuss wegen seiner zahlreichen harschen Aussagen am Montag ein Ermittlungsverfahren einleitete.

Immerhin einmal aber meldete sich Videoassistent Ittrich zu Recht: Beim vermeintlichen 2:1-Siegtreffer stand der eingewechselte Torschütze Anthony Ujah in der vierten Minute der Nachspielzeit tatsächlich im Abseits. Die Mainzer feierten aber bereits wie nach einem Pokalsieg, Torschütze Ujah feuerte sein Trikot im Rausch der Gefühle auf den Boden - und bekam eine gelbe Karte. Wohlgemerkt: Eine gelbe Karte für einen sanktionierten Jubel nach einem Tor, das dann gar nicht zählte. Dieser Abend trieb wirklich absurde Blüten.

Referee Hartmann hatte zehn Minuten nachspielen lassen, weil er die Partie kurz nach der Halbzeit für einige Minuten hatte unterbrechen müssen. Anhänger von Hannover hatten Rauchfackeln gezündet. Die eigenwillige Deeskalationsstrategie des Mainzer Stadionsprechers Klaus Hafner darf dabei nicht unerwähnt bleiben. Er nannte die Zündler "armselige Kreaturen" und empfahl "den Vernünftigen im Block", den Pyromanen die "Fackeln abzunehmen und denen diese in den Hals zu schieben".

In Mainz erzählte Hannovers Profi Matthias Ostrzolek hinterher, Mateta habe auf dem Platz zugegeben, dass es kein Foul gewesen sei in der Situation, die zum Elfmeter führte. Allerdings verschickte Mainz 05 hinterher eine Pressemitteilung mit einem Zitat Matetas, in dem der Franzose erklärte: "Es war keine Schwalbe - es gab einen Rempler, und ich war im Lauf. Ich habe mich nach dem Spiel von den gegnerischen Spielern per Handschlag verabschieden wollen - ich kann mich nicht für eine Schwalbe entschuldigen, die keine war."

Diese Sicht auf die Situation hat Mateta mit Videoschiedsrichter Ittrich exklusiv. Die TV-Bilder zeigen: Wenn es überhaupt einen Kontakt gegeben hat, fiel Mateta leicht und spät. Breitenreiter sagte: "Wenn wir diese Situation im Keller in Köln nicht als Schwalbe bewerten, dann ist das nicht mehr gerecht, dann müssen wir den Videobeweis abschaffen."

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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