Hannover 96:Flirt im Gerichtssaal

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Gerhard Zuber. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Erst trafen sich der Zweitligist und Gerhard Zuber vor dem Arbeitsgericht, dann holt ihn Klubchef Martin Kind nach der Entlassung von Jan Schlaudraff als Sportchef zurück.

Von Carsten Scheele, Hannover

Ein Beispiel für Personalpolitik auf Hannoversche Art? Am Mittwoch standen sich Gerhard Zuber und Hannover 96 noch als Prozessgegner vor dem Arbeitsgericht gegenüber. Und am Donnerstag, nur knapp 24 Stunden später, stellte der Klub Zuber als neuen Sportchef vor.

Zuber, 44, war zuvor eine der am schlechtesten gelittenen Personen beim Zweitligisten. Einst war Zuber die rechte Hand von Manager Horst Heldt; als Heldt im April 2019 ging, wäre Klubchef Martin Kind auch Zuber gerne losgeworden, konnte sich mit ihm aber nicht auf eine Abfindung einigen. Also beschnitt man seine Kompetenzen: Zuber, obwohl offiziell noch Sportlicher Leiter, durfte nicht mit zu Auswärtsspielen fahren, hatte nicht einmal Zugang zum Computernetzwerk des Vereins, angeblich wurde sogar seine Schlüsselkarte umkodiert. Ein Vertrauensverhältnis? Nicht vorhanden.

Am Mittwoch bescheinigte das Arbeitsgericht Zuber, dass er über einen unbefristeten Arbeitsvertrag bei 96 verfügt. Es folgten die Demission des bisherigen Sportchefs Jan Schlaudraff und offenbar ein Sinneswandel bei Kind, der bekanntlich einen Sportchef suchte und plötzlich - Simsalabim! - bei Zuber landete.

Am Donnerstagmorgen fuhr Zuber zu Kind nach Großburgwedel zum Gespräch, am Nachmittag dann schon die Verkündung, in der tatsächlich stand: "Gerhard Zuber genießt das volle Vertrauen der Geschäftsführung."

Zuber sei "integer und kennt den Markt. Er hat sich immer vernünftig verhalten", sagte Kind dem Sportbuzzer, "die Rechtsfrage muss man davon trennen." Den Gerichtsprozess also, den ganzen Streit der vergangenen Monate. Das ist für Fans und Außenstehende schwer nachvollziehbar, nicht wenige werden es als unwürdiges Manöver einstufen ( Bild schreibt: "Peinlich, peinlicher, 96"). Für Kind aber ist es Pragmatismus pur. Er hätte einen neuen Sportchef suchen können, was den Etat belastet hätte. Da behält er doch lieber Zuber, der ohnehin auf der Gehaltsliste steht und auch schon mal einen Kader zusammengestellt hatte.

Geschäftsführer Kind (vormals Präsident) wird ein lockeres Verhältnis zu seinen Sportchefs nachgesagt - locker im Sinne von: Er entlässt schnell mal einen. Jörg Schmadtke, Dirk Dufner, Christian Möckel, Heldt, Schlaudraff - sie alle hatten in den vergangenen zehn Jahren die Geschicke der 96er zu verantworten. Nun eben Zuber, der sofort loslegte: Am Freitag wurde verkündet, dass Schwedens offensiver Nationalspieler John Guidetti, 27, bis Saisonende bei Deportivo Alaves ausgeliehen wird.

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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