Handball-WM:Renaissance der Ritter der Ehrenlegion

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War schon 2001 dabei, als die Franzosen ihre Heim-WM dominierten: Rückraumspieler Daniel Narcisse, 37, einst und lange beim THW Kiel. (Foto: Loic Venance/AFP)

Die Ära von Frankreichs Handballern soll bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land einen weiteren Höhepunkt erfahren.

Von Joachim Mölter, Rouen

Wenn man in diesen Tagen in Frankreich die Handball-WM verfolgt, kommt man an ein paar Männern nicht vorbei, Jackson Richardson, Thierry Omeyer und Daniel Narcisse zum Beispiel. Das sind zwar keine drei Musketiere, aber immerhin drei Ritter der französischen Ehrenlegion. Dieser Orden wurde erstmals von Napoleon Bonaparte verliehen, um militärische oder zivile Verdienste, ausgezeichnete Talente oder große Tugenden zu belohnen. Richardson, Omeyer und Narcisse - ein genialer Spielmacher, ein verrückter Torhüter und ein wuchtiger Werfer - gehören zu den Handball-Helden von 2001, als zuletzt ein globales Turnier im Land stattfand und die Gastgeber mit ihrem WM-Gewinn eine Ära begründeten, die bis heute andauert.

Die mit fünf Titeln inzwischen als Rekord-Weltmeister firmierenden Franzosen treten bei ihrer Heim-WM erneut als Titelverteidiger an, sie sind mühelos durch die Vorrunde geschlendert, mit fünf Siegen in fünf Partien. Von ihrem Gruppenspielort Nantes ging die Reise am Freitag nach Lille, wo sie am Samstag in der mit 27 000 Plätzen größten Halle des Landes ihr Achtelfinale gegen Island bestreiten. "Der TGV ist auf dem Gleis", schrieb die Sporttageszeitung L'Équipe in diesen Tagen, die WM nimmt endlich Fahrt auf in der K.o.-Runde, "in den Spielen ohne Wiederkehr" (L'Équipe).

Man muss allerdings sagen, dass das Turnier bislang sehr von der Wiederkehr der alten Helden gelebt hat. Es war immer viel Nostalgie im Spiel, andauernd sind Brücken von 2001 zu heute geschlagen worden, auch wenn Jackson Richardsons wilde Rastamähne mittlerweile ab ist. Sein kurz geschorenes Haar schimmert genauso grau wie bei Thierry Omeyer, der Unterschied zwischen beiden: Richardson, 47, sitzt im Anzug auf der Tribüne und kommentiert als Experte für das Fernsehen; Omeyer, 40, steht unten auf dem Feld und lässt sich immer noch die Bälle um die Ohren werfen.

Dazwischen, am Spielfeldrand, sind die ebenfalls 40 Jahre alten Didier Dinart und Guillaume Gille postiert, zwei weitere Weltmeister von 2001. Sie teilen sich das Traineramt, das sie nach den Olympischen Spielen in Rio von ihrem Erfolgscoach Claude Onesta, 59, übernommen haben. Daniel Narcisse, 37, der letzte noch aktive Feldspieler von 2001, schaut derweil zu, dass der Übergang von der alten zu einer neuen Generation auf dem Spielfeld reibungslos vonstatten geht.

Narcisse ist natürlich nicht mehr der große Regisseur, als der er die Équipe tricolore 2008 und 2012 zu Olympiasiegen geführt hat. Kopf der Mannschaft ist längst Nikola Karabatic, der zweimalige Welthandballer (2007 und 2014), der nach seiner Zeit beim deutschen Rekordmeister THW Kiel inzwischen bei Frankreichs Hauptstadtklub Paris St. Germain die Fäden zieht. L'Équipe hat dem 32-Jährigen vor WM-Beginn eine Artikelserie gewidmet, und als neulich die Schlagzeile "Karabatic fällt für die WM aus" in den sozialen Medien aufploppte, war die Aufregung groß. Bis sich herausstellte, dass es sich um Luka Karabatic handelte, den jüngeren Bruder, der sich in der Partie gegen Japan (31:19) einen Bänderriss zugezogen hatte.

Wie wichtig Nikola Karabatic für Frankreichs Erfolg ist, war im letzten Vorrundenspiel zu sehen, beim 26:25 gegen die bereits ausgeschiedenen Polen. Da wurde Karabatic geschont, Olivier Nyokas, 30, und Kentin Mahé, 25, sollten seine Aufgaben übernehmen. Aber gerade Mahé tat sich schwer, den Angriff zu organisieren. "Es war schwierig, sich zu konzentrieren", erklärte der Rückraumspieler der SG Flensburg: "Das Spiel hatte keine Bedeutung mehr, das erklärt vielleicht, warum wir nicht deutlicher gewonnen haben." Er wolle die Partie am liebsten vergessen und sich "schnell auf das Spiel gegen Island vorbereiten", sagte er noch.

Das ist allerdings die schwierigste Aufgabe der französischen Handballer in diesen Tagen: die Vergangenheit zu vergessen und an die Zukunft zu denken. Nicht mal der junge Kentin Mahé kann der Nostalgie entkommen, er wird ja dauernd daran erinnert, dass sein Vater Pascal einst zu Frankreichs erster Weltmeister-Mannschaft gehörte, anno 1995. Damals gehörte auch schon Jackson Richardson zum Team, der gab den Ball dann weiter zu Omeyer und Narcisse. Nun ist er in Karabatics Händen, und die nächsten Empfänger werden bei diesem Turnier herangezogen. So oft wie man die alten Franzosen in den vergangenen Jahren abgeschrieben hat, so oft ist ihnen auch eine Renaissance gelungen.

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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