Handball-WM:Die Bedenken sind absolut zulässig

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Silvio Heinevetter (links) ist mit Covid-19 infiziert, soll aber rechtzeitig zur WM wieder fit werden. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Sogar die Fernsehsender verzichten auf Vor-Ort-Berichterstattung bei der Handball-WM. Wie riskant die Situation weiterhin ist, zeigt ein Infektionsausbruch beim Bundesligisten Melsungen.

Von Carsten Scheele

Es gibt noch gute Nachrichten für die Organisatoren der Handball-WM: Fast alle Top-Protagonisten haben für die Weltspiele in Ägypten zugesagt, freilich nicht die Deutschen, hier hat Bundestrainer Alfred Gislason eher eine Art Notaufgebot nominiert, von dem keiner weiß, was es zu leisten vermag. Auch bei den Schweden wurden einzelne Absagen vermeldet, sonst wollen alle kommen: Norwegens Superhirn Sander Sagosen, Dänemarks langhaariger Kraftprotz Mikkel Hansen, Kroatiens erfahrener Stratege Domagoj Duvnjak, der selbst kürzlich noch gewettert hat, diese WM sei "zu gefährlich". Jetzt, drei Wochen vor Beginn, ist Duvnjak doch dabei. Die meisten Nationalteams können mit voller Kapelle nach Ägypten fliegen, frei nach dem Motto: Wird schon gutgehen.

In Deutschland sind die Bedenken größer. Nicht nur wichtige Spieler meiden den Trip nach Nordafrika zu diesem Riesenturnier mit 32 Mannschaften; jetzt hat auch die ARD ihre traditionelle Vor-Ort-Berichterstattung abgesagt. Der Partnersender ZDF will nach derzeitigem Stand anreisen, allerdings mit verkleinertem Team. Stärker als in anderen Ländern gilt hier der Konsens, dass dieses Turnier zur Unzeit kommt, eben doch gefährlich ist - und Bedenken an der Reise in die Blase nach Kairo absolut zulässig sind. Der Deutsche Handball-Bund (DHB) muss das Turnier spielen, er akzeptiert aber jede persönliche Absage; es steht den Spielern frei, ob sie mitwirken wollen oder nicht.

Die Organisatoren denken nicht über das Finale hinaus - ein Wagnis

Anders geht es kaum, erst recht in dieser Nachrichtenlage. Gerade war das Team des THW Kiel mehrere Tage in Quarantäne, jetzt hat die MT Melsungen einen Infektionsausbruch zu verzeichnen. Drei Profis wurden positiv auf das Coronavirus getestet, darunter die Nationalkräfte Silvio Heinevetter und Timo Kastening. Wer es optimistisch sehen will: Gerade noch rechtzeitig, beide werden, einen milden Verlauf vorausgesetzt, noch vor WM-Start wieder aus der Quarantäne entlassen sein und können mit nach Kairo reisen.

Doch der Fall zeigt, wie gewagt dieses WM-Unterfangen ist, bei dem von den Organisatoren ohnehin nur bis zum Finale gedacht wird - und nicht darüber hinaus. Oder glaubt ernsthaft jemand, dass die Bundesliga nur sechs Tage nach dem WM-Finale zwischenfallfrei in den nächsten Spieltag starten wird, nachdem die Profis wochenlang Kontakte zu Spielern aus der ganzen Welt hatten?

Erst im November hat der DHB erfahren müssen, wie schnell es geht, als im Nachgang der Länderspielwoche vier Spieler positiv getestet wurden, darunter Juri Knorr von der GWD Minden, der mehrere Wochen brauchte, um körperlich wieder annähernd fit zu werden. In der Bundesliga mussten damals zahlreiche Spiele abgesagt werden, doch die Befindlichkeiten der nationalen Ligen sind zweitrangig. Mehr als 100 Spieler wird die deutsche Bundesliga nach Ägypten entsenden, so viel wie keine andere Liga. Sie wird für diese WM auch den höchsten Preis zahlen.

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