Handball:Bloß weg vom Profisport

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Schwer zu fassen: Kim Ekdahl Du Rietz, 27, wird nur noch bis zum Sommer auf Torejagd gehen. (Foto: Christian Schroedter/imago)

Kim Ekdahl Du Rietz ist einer der besten Rückraumspieler der Bundesliga, doch das Leben als Handballer erfüllt ihn nicht. Im besten Alter beendet er seine Karriere - um auf Weltreise zu gehen.

Von Michael Wilkening, Heidelberg

Einen Kalender hat Kim Ekdahl Du Rietz in seiner Wohnung in Heidelberg nicht aufgehängt, er hat seinen individuellen Countdown im Kopf. "Noch vier Monate und zehn Tage", sagte er am Dienstag. 131 Tage lang ist der Schwede noch Handball-Profi, danach befreit er sich von Ketten, die er spürt, und beendet seine Laufbahn im Alter von erst 27 Jahren. Am 10. Juni wird der Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen also zum letzten Mal in die Arena in Mannheim einlaufen - obwohl er gerade wohl so gut spielt wie noch nie in seinem Leben.

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An diesem Freitag trifft die deutsche Nationalmannschaft in Leipzig auf die besten Spieler der Bundesliga, beim sogenannten "Allstar Game". Ekdahl Du Rietz wurde von den Fans in die Liga-Auswahl gewählt, für ihn werden das die ersten Schritte auf seiner Zielgeraden.

Als die schwedischen Handballer in den zurückliegenden Wochen bei der WM in Frankreich weilten, war Ekdahl Du Rietz irgendwo im Nirgendwo. Er spielt schon seit zweieinhalb Jahren nicht mehr für sein Land, obwohl er einer der besten Akteure weltweit auf seiner Position im linken Rückraum ist. Er reiste lieber durch den finnischen Teil des Lapplandes, während seine Landsleute um Ruhm und Ehre kämpften.

Im Sommer will er erst einmal nach Afrika

Er war nach Rovaniemi aufgebrochen, um so etwas wie einen Hauch von Freiheit zu spüren. In der Handball-Welt fühlt er sich seit einiger Zeit gefangen, was ihn zu einem ungewöhnlichen Schritt bewegt hat: Kim Ekdahl Du Rietz steigt vorzeitig aus seinem bis Juni 2018 gültigen Vertrag beim deutschen Meister aus. Handball-Profi war für ihn nie ein Traumberuf.

"Von außen betrachtet ist das schwer zu verstehen, das weiß ich", sagt Ekdahl Du Rietz. Er weiß auch, dass viele Jugendliche davon träumen, in einer Situation zu sein wie er: vor 10 000 und mehr Zuschauern den harzigen Ball mit voller Wucht ins Tor zu werfen, für ihr Talent bewundert und gefeiert zu werden, Geld mit ihrer Leidenschaft verdienen zu können. "Das alles ist für mich kein Gradmesser für Glück", sagt der Mann aus der südschwedischen Stadt Lund. Er begann mit dem Handball, weil seine Freunde spielten; er blieb dabei, weil er besser war als alle anderen. Entscheidende Tore werfen, Siege bejubeln - das hat er früher in Lund getan, das macht er heute noch bei den Rhein-Neckar Löwen so. "Das sind tolle Momente", sagt Ekdahl Du Rietz, "aber sie sind immer nur kurz."

Der Alltag eines Handball-Profis ist weniger weit entfernt von der Normalität als der eines Fußballers. Und doch hat dieses Leben eben nicht viel gemein mit der Realität. "Das ist ja nicht das wahre Leben, einmal am Tag ein bisschen mit den Kumpels trainieren und schwitzen", so hat das der einstige deutsche Weltklasse-Torhüter Andreas Thiel einmal beschrieben. Ekdahl Du Rietz will in Zukunft lieber das wahre Leben spüren; der Status eines Profisportlers hat ihn halt nie ausgefüllt.

Seine Wohnung in Heidelberg sieht aus wie die Bude eines Psychologie-Studenten - es herrscht geordnetes Chaos. Das Bild stimmt, schließlich studiert der Schwede Psychologie, er wird im Sommer damit fertig sein. Arbeiten will er in diesem Bereich aber nicht, das Studium war für ihn nur ein Zeitvertreib zwischen den Trainingseinheiten. "Ich wollte mein Leben sinnvoll füllen", sagt Ekdahl Du Rietz. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen fährt er auch kein Auto der Oberklasse, sondern einen japanischen Kleinwagen. Ekdahl Du Rietz war schon immer etwas anders als die meisten Handballer, aber er war auch immer mindestens genauso gut.

Er hätte sich nach dem ursprünglichen Vertragsende im Sommer 2018 einen neuen Klub aussuchen können und vermutlich fast jeden Gehaltswunsch erfüllt bekommen. Es gibt im linken Rückraum nur sehr wenige Spieler, die ähnliche Qualitäten mit sich führen. Ekdahl Du Rietz kann Tore aus zehn Metern Entfernung spielend leicht aussehen lassen und sich ebenso kraftvoll im direkten Duell bis zum Kreis durchtanken; zudem ist er ein exzellenter Abwehrspieler.

Er gewann mit Schweden die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2012 in London; mit den Rhein-Neckar Löwen holte er 2013 den EHF-Pokal und im vorigen Juni den deutschen Meistertitel. Weitere Trophäen könnten folgten, doch darum ging es Ekdahl Du Rietz nicht mehr. "Ich möchte in Bewegung bleiben, viel reisen und neue Eindrücke sammeln", sagt er. Im Sommer will er erst einmal nach Afrika, wohin es ihn danach treibt, ist offen. In seinem Bewegungsdrang fühlt sich der Handball inzwischen wie ein Bremsklotz an.

Wenn er an diesem Freitag beim "Allstar Game" aufläuft, ist das Ergebnis zweitrangig, das Erlebnis steht an erster Stelle. Wichtiger als die 60 Minuten auf dem Feld sei ihm die Feier mit den Kollegen danach. "Das wird richtig gut", hofft er. Am Samstagmorgen wird er sich auf den Weg zurück nach Heidelberg machen. Sein Countdown steht dann bei vier Monaten und sechs Tagen.

© SZ vom 01.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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