Handball:Warten auf den Retter

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Wie oft Rechtsaußen Hans Lindberg noch für den finanziell geschwächten HSV jubeln darf, ist ungewiss. (Foto: imago)

Die sportlich zurzeit erfolgreichen HSV-Handballer bangen mal wieder um ihre Zukunft. Die Insolvenz droht, wenn keine finanzielle Hilfe kommt.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Aus den Lautsprecher-Boxen tönte der Ballermann-Hit "Heut' ist so ein schöner Tag". 6000 Fans animierten die Handball-Profis des HSV Hamburg, sich hinzusetzen, damit man sie feiern könne. Trainer Michael Biegler fand einfach "keine Worte" mehr nach dem 36:29-Sieg der fantastisch aufspielenden Hamburger gegen die Füchse Berlin. Und in der Pressekonferenz ergriff sogar Hauptgesellschafter Matthias Rudolph das Wort. Er wolle würdigen, dass "diese Mannschaft für den Verein, die Stadt und ihre Fans dank ihres Trainers schon in den vergangenen Spielen als Handball-Helden" aufgetreten seien. Ja, der HSV hatte am Mittwoch tatsächlich einen schönen Abend verbracht. Die Mannschaft ist nach dem vierten Sieg hintereinander (darunter zwei Auswärtssiege in Wetzlar und Melsungen) die Mannschaft der Stunde in der Bundesliga.

Die Frage ist nur, ob es der letzte schöne Tag war im Leben dieses Klubs, der momentan auf Tabellenplatz fünf rangiert. Seit zwei Monaten haben die Profis kein Gehalt mehr bezogen, seit einem Monat die Angestellten der Geschäftsstelle. Und als ein Journalist nun den Geschäftsführer Christian Fitzek fragte, ob er sicher sei, dass das nächste Heimspiel am 20. Dezember gegen den SC Magdeburg stattfinde, da sagte dieser nur: "Gute Frage, nächste Frage." Die Frage, ob der deutsche Meister von 2011 und Champions-League-Sieger 2013 wegen einer Schuldenlast von vermutlich zwei Millionen Euro Insolvenz anmelden muss und sofort aus der Bundesliga aussteigt, ist so akut wie im Sommer 2014. Damals hatte der HSV die Lizenz erst im dritten Anlauf bekommen.

Auch diesmal kann nur Sponsor und Mäzen Andreas Rudolph der Retter sein. Aber wie 2014 ziert sich der Medizin-Unternehmer, der angeblich in elf Jahren mehr als 20 Millionen Euro in sein Hobby gesteckt hat. Am Donnerstag war offenbar ein neues, nicht bestätigtes Gespräch zwischen Rudolph und Fitzek angesetzt. Der Geschäftsführer versucht derzeit, den Gönner mit einem neuen Vierjahreskonzept zu überzeugen, bei dem dieser angeblich 2017 aussteigen könnte. Dafür müsste Rudolph aber einen großen Teil der Altlasten übernehmen und darauf verzichten, dass seine Darlehen zurückgezahlt werden.

Einen ähnlichen Plan hatte er 2014 abgelehnt . Geschäftsführer Fitzek könnte nun fordern, dass Rudolph die in einer Patronats-Erklärung zugesagten Gelder fließen lässt. Dann wäre die Liquidität zumindest für diese Saison gesichert. Warum er das bisher nicht gemacht hat, darüber kann man spekulieren. Denkbar ist, dass der von Rudolph eingesetzte Fitzek sich scheut, weil der Über-Boss ihm vorwirft, bei der Sponsoren-Akquise versagt zu haben. Jetzt fordern nicht nur das Finanzamt, die Berufsgenossenschaft, der Hallenvermieter oder der Hamburger SV für die Vermietung des Vereinsemblems eine stattliche Summe, sondern auch die Spieler.

Ob der Trainer nach seiner Auszeit zum HSV zurückkehrt, ist unklar

Andreas Rudolph sagte dem Radiosender NDR 90,3 am Donnerstagabend dann: "Meiner Meinung nach sind sie nicht mehr zu retten." Die Spieler haben unterdessen weitgehend still gehalten, und sie wollten auch nach dem Berlin-Spiel wenig zur Sache sagen. Nur Nationalspieler Adrian Pfahl traute sich aus der Deckung: "Es muss eine Entscheidung her, das ist der Verein uns schuldig. Wir brauchen ein klares Ja oder Nein", sagte er dem NDR. Auch Christian Fitzek fordert eine Entscheidung in dieser, spätestens zu Beginn der nächsten Woche. Andernfalls könnte der Geschäftsführer selbst bei einer Insolvenz haften.

Dass aus der neu zusammengestellten Mannschaft derweil eine großartig funktionierende Einheit gewachsen ist, hat offenbar viel mit Trainer Michael Biegler zu tun. "Er vertraut und beschützt uns", sagte Torwart Johannes Bitter. Er käme zwar sehr raubeinig daher, habe aber viel Humor und sei "in der Kabine wie eine Mutter". Ein Scheitern des HSV-Projekts wäre sehr schade, befand der Keeper, die Mannschaft sei schließlich "sehr tragfähig".

Ob Biegler überhaupt noch einmal wiederkommt, ist so unklar wie die Zukunft des Klubs. Am Donnerstagmorgen reiste er nach Polen, um die polnische Nationalmannschaft auf die Europameisterschaft im Januar vorzubereiten. Das war Bestandteil seines im Sommer abgeschlossenen Vertrages. "Wenn hier noch Handball gespielt wird, bin ich dabei", sagte Biegler auf die Frage, ob er zurückkomme. Wer das HSV-Team in den drei Dezember-Spielen betreuen wird, ist unklar. Erst einmal müsse die Zukunft geklärt sein, sagte Fitzek. Erst danach könne er das Problem mit dem Interimstrainer lösen.

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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