Handball:Unter der Champagner-Dusche

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Ausgelassene Stimmung: THW-Trainer Alfred Gislason (mit Trophäe) feiert den Pokalsieg mit (von links) Niclas Landin, Steffen Weinhold, Hendrik Pekeler und Sebastian Firnhaber. (Foto: Martin Rose/Getty Images)

Der im Sommer scheidende Trainer Alfred Gislason verhilft dem THW Kiel noch einmal zum Pokalsieg.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Sein Kutscherhaus in Wendleben bei Magdeburg ist Alfred Gislasons zweite Heimat in Deutschland. Dort tankt der aus Island stammende Trainer des Handball-Bundesligisten THW Kiel immer auf, zum Beispiel beim Rosenzüchten. Vor seiner nun elf Jahre dauernden Amtszeit an der Ostsee feierte Gislason ja seine Erfolge mit dem SC Magdeburg - als deutscher Meister 2001 und Champions-League-Sieger 2002. Ausgerechnet dieser SC Magdeburg wollte ihm nun die Möglichkeit verwehren, seine im Sommer ablaufende Zeit in Kiel mit einem weiteren Pokalsieg zu beenden. Doch Gislason überwand auch diese Hürde und stemmte am Sonntagnachmittag zum sechsten Mal den Pokal in die Luft, eine 3,5 Kilogramm schwere, mit Silber verzierte Messingtrophäe.

28:24 hieß es am Schluss verdient, es war der elfte Pokalgewinn des Rekordsiegers. Die Kieler Fans veranstalteten beim Wembley des deutschen Handballs ein Spektakel, das Nationalspieler Hendrik Pekeler schon nach dem 24:22 im Halbfinale gegen die Füchse Berlin am Samstag gelobt hatte: Im Vergleich dazu sei die WM-Stimmung an gleicher Stelle im Januar "fast schon traurig gewesen". Von Bundesliga-Geschäftsfürer Frank Bohmann, der das Turnier "berauschend" fand, bis zum Magdeburger Spielmacher Marko Bezjak waren sich alle einig, dass der THW Kiel das beste Team am Wochenende war. Als hätte er sich in den drei Jahren ohne Meistertitel und dem vergangenen Jahr, in dem er auch das Pokal-Final-Four verpasste, nur ausgeruht für eine neue Serie.

Entsprechend stolz war der mit einer Champagner-Dusche begossene Gislason, der sogar von Magdeburgs Manager Marc Schmedt zum Abschluss seiner Karriere hierzulande als "einer der größten Bundesliga-Trainer" gepriesen wurde. Der 59-Jährige, der allenfalls noch als Nationalcoach weitermachen will, wollte "nicht leer", also nicht ohne Titel, aus seiner letzten Saison herausgehen, wie er bemerkte. Er lobte die Entwicklung seiner Mannschaft und sprach auch das an, was in diesem Finale, in dem sie zur Halbzeit nur mit einem Tor führte (14:13), den entscheidenden Unterschied ausmachte: Man habe im Gegensatz zu Magdeburg eine "große Breite". Und die zahlte sich aus: Im Finale konnte er zunächst Kapitän Domagoj Duvnjak und Steffen Weinhold schonen, nachdem am Samstag "alle Krämpfe hatten", wie Kreisläufer Patrick Wienczek berichtete.

"Fast alle Spieler waren beteiligt", stellte Gislason fest, besonders aber der Rückraumspieler Harald Reinkind, der im Halbfinale keine Rolle gespielt hatte. Doch im Endspiel hatte Reinkind einen großen Auftritt mit sechs Treffern, die meisten zu Beginn. Ein weiterer Unterschied in diesem Spiel war zudem die Torhüter-Position, auf der sich die beiden besten Dänen duellierten. Während Dänemarks Nummer zwei, der Magdeburger Jannick Green, nach sehr gutem Beginn immer häufiger ins Leere griff und gegen Dario Quenstedt ausgetauscht wurde, hat Dänemarks Nummer eins, Niclas Landin, bei 15 Paraden die Bälle abgefangen. Selbst Green erkannte an, dass es sehr schwer wird, "wenn man gegen einen so guten Torwart spielt". Dazu kam, dass auf Magdeburger Seite Albin Lagergren schon in der ersten Halbzeit ausfiel, die erste Diagnose lautete: möglicherweise ein Mittelfußbruch.

Da tröstete es die Magdeburger auch nicht, dass Michael Damgaard als bester Torschütze des Turniers (15 Treffer beim 30:29 gegen TSV-Hannover-Burgdorf, sechs gegen Kiel) und auch als bester Spieler ausgezeichnet wurde. Nach der Siegerehrung fühlte es sich für SCM-Trainer Bennet Wiegert an, "als sei die Saison zu Ende". Doch das ist sie für den Bundesliga-Dritten Magdeburg noch nicht. Der SC kann die mit vier Punkten Vorsprung auf Platz zwei liegenden Kieler theoretisch ja noch einholen.

Die Kieler haben dagegen noch einiges vor. Sie könnten, daraus machen sie gar kein Hehl, noch ein Triple schaffen - wenn auch nicht das ganz große mit dem Champions-League-Triumph, sondern nur mit dem Gewinn des EHF-Pokals, dem zweitwichtigsten Klub-Wettbewerb in Europa. Die Kieler sehen ja noch immer die Chance, den Titelverteidiger SG Flensburg-Handewitt trotz vier Punkten Rückstand vom ersten Tabellenplatz zu verdrängen. Die Flensburger müssen immerhin noch zu den Rhein-Neckar Löwen und am 9. Mai in Kiel antreten. "Wir werden da sein, wenn Flensburg ausrutscht", sagt Wienczek.

Bitter für den SC Magdeburg ist, dass er in dieser Saison bisher der einzige Klub in Deutschland ist, der Titelverteidiger Flensburg besiegt hat. In der vorigen Woche hat der Klub aus Sachsen-Anhalt den Schleswig-Holsteinern beim 24:23 die ersten Punkte in der Bundesliga abgenommen, und im Achtelfinale des DHB-Pokals hat er sogar in Flensburg gewonnen, 31:28. Auch Kiel haben die Magdeburger zuletzt zweimal in der Bundesliga geschlagen.

© SZ vom 08.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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