Handball:Quantensprung unter Brack

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Jubelnd mit den Fans: Rimpar schafft mit einem Kantersieg den Klassenverbleib in der zweiten Liga. (Foto: Heiko Becker/HMB-Media/imago images)

Der aus dem Ruhestand geholte Trainer führt die DJK Rimpar gegen Wilhelmshaven zum höchsten Sieg ihrer Zweitklassigkeit - vor den Augen von leibhaftig anwesenden Zuschauern.

Von Sebastian Leisgang

Es kann schon ziemlich anstrengend sein, in einer Mannschaft zu spielen, bei der Rolf Brack draußen an der Seitenlinie steht. Man kommt einerseits zwar in den Genuss, Dinge zu lernen, von denen vermutlich nicht einmal der Handball selbst etwas weiß; man erfährt zum Beispiel, wie das so ist, mit zwei oder sogar mit drei Kreisläufern zu spielen - andererseits muss man aber eben auch damit rechnen, dass Brack am späten Abend noch eine Nachricht schickt, wenn man den Tag gerade auf dem Sofa ausklingen lässt.

Von Brack, 67, gibt es ja diverse Geschichten. Etwa die, wie er bis in die Nacht vor seinem Rechner sitzt, sich in Analysen verliert und seinen Spielern dann Videosequenzen zukommen lässt, um ihnen vorzuführen, dass sie den Ball bei dieser Spielsituation früher auf die Außenposition hätten passen und bei jener zwei Meter weiter links hätten stehen müssen. Oder: Brack, wie er seine Mannschaft auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel an einer Tankstelle zu einer Trainingseinheit bittet, damit bloß nicht der Alltag einkehrt.

Seit knapp drei Wochen ist dieser Brack nun Trainer in Rimpar. Die Wölfe haben ihn aus dem Ruhestand geholt und für die letzten sechs Spiele engagiert, um zum einen sicherzustellen, auch nächste Saison in der zweiten Handball-Bundesliga zu spielen - und zum anderen, um von den sportwissenschaftlichen Ansätzen zu profitieren, die in Bracks Arbeit mit einer Mannschaft eine große Rolle spielen.

Ein Anruf am Mittwochmittag, ein Tag nachdem Rimpar die letzten Zweifel am Klassenverbleib ausgeräumt hat. Es ist nicht zu überhören, wie angeschlagen Brack ist. Seine Stimme hat derart gelitten, dass man schon besonders aufmerksam sein muss, um ihm folgen zu können. "Ich habe sehr laut gecoacht", sagt Brack, "da ist meine Stimme in Mitleidenschaft gezogen worden." Kurze Pause. "Aber bei dem Resultat ist das kein Problem."

Auch deshalb hat Rimpar Brack geholt: weil er in seinen mehr als 30 Trainerjahren alles gesehen hat, was es in diesem Sport zu sehen gibt

Am Vorabend hat Rimpar mit 43:25 gegen Wilhelmshaven gewonnen - der höchste Sieg in all den acht Jahren, in denen die Wölfe zweitklassig sind. "Dass wir so spielen, war nicht zu erwarten", sagt Brack, "das war ein Quantensprung, nahezu perfekter Highspeed-Handball."

Obwohl Brack Rimpar erst Ende Mai übernommen hat, spielt die Mannschaft schon jetzt Brack-Handball: im Positionsangriff gezielt über die Außen - und im Tempospiel mit jeder Menge Schärfe. "Wir hätten auch die 50 knacken können", sagt Brack und betet dann die Zahlen runter, die er allesamt im Kopf hat: 24 Tempogegenstöße, 19, die zu Toren geführt haben, 14 Fehlwürfe, acht technische Fehler und nur zwei Gegentore nach gegnerischen Kontern. Brack hat alle Statistiken vom Vorabend parat. Und nicht nur das. Als er während des Gesprächs kurz abschweift und auf sein 25-Tage-Intermezzo beim HC Erlangen zu sprechen kommt, da erinnert er sich an ein Spiel gegen Balingen. Es ist mittlerweile fast eineinhalb Jahre her, doch selbst von diesen 60 Minuten weiß Brack noch, wie viele Tore nach Gegenstößen gefallen sind.

Auch deshalb hat Rimpar ihn ja geholt: weil Brack für den Handball lebt und in seinen mehr als 30 Trainerjahren alles gesehen hat, was es in diesem Sport zu sehen gibt. Diesen reichen Schatz an Erfahrungen wollen sich die Wölfe zunutze machen - und dann mit einem jungen Trainer in die Zukunft gehen.

Drei Spiele noch, dann zieht sich Brack wieder zurück und räumt seinen Platz auf der Rimparer Bank für Julian Thomann, der aus Balingen kommt. Von jenem Klub also, den Brack beinahe zehn Jahre lang trainiert hat. "Wir tauschen uns nach jedem Spiel aus", sagt Brack und spricht dann über Angriffskonzepte, Animationsvideos und Abbildungen. All das habe er für die Spieler erarbeitet und auch Thomann zukommen lassen.

Angriffskonzepte, Animationsvideos und Abbildungen: Brack ist in seinem Element. Wie immer, wenn er über Handball spricht. Bliebe also nur noch eine Frage: Wie wohltuend war es, gegen Wilhelmshaven zum ersten Mal in dieser Saison Zuschauer in der Halle zu haben? "Wohltuend war es vor allem für die Spieler", sagt Brack, "ich bin so fokussiert, dass ich die Atmosphäre nur bedingt an mich ranlasse - egal, ob 150 oder 10 000 Zuschauer da sind."

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