Handball:Ohne Anker

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Ist auch am Verzweifeln: Marko Matijasevic. (Foto: Michael Bermel/imago images)

Der TV Großwallstadt unterliegt im Zweitliga-Derby Rimpar und sucht nach Erklärungen.

Von Sebastian Leisgang

Ralf Bader hat alle Zahlen im Kopf. Er weiß nicht nur, wie viele Würfe seine Torhüter am Samstagabend haben passieren lassen, er weiß auch, wie wenige sie gehalten haben. Bader hat ebenso parat, wie viele Fehler seiner Mannschaft im Positionsangriff unterlaufen und wie wenig Tore ihr aus dem Rückraum gelungen sind. All das weiß der Trainer des TV Großwallstadt, er findet aber: Die Statistiken täuschen.

"Der Gegner hat ja auch einige technische Fehler gemacht, weil wir sie erzwungen haben", sagt Bader und spricht dann über diese und über jene Zahlen, die den Eindruck erwecken können, dass der TVG am Samstagabend gar nicht so deutlich unterlegen war. Die Wahrheit aber ist: Baders Mannschaft war den Rimpar Wölfen deutlich unterlegen, sie verlor das Derby der zweiten Handball-Bundesliga mit 25:32 (11:16) und war im Grunde chancenlos. "Es war ernüchternd", sagt Bader, "wir sind von Anfang an dem Ergebnis hinterhergelaufen. Als Rimpar in Führung gegangen ist, war die Mannschaft gehemmt. Wir denken momentan einfach zu viel nach, wir dürfen uns aber nicht beeindrucken lassen, wenn der Gegner gut spielt - das wird jede Woche so sein."

Gehemmt? Beeindruckt? Baders Diagnose lenkt den Blick zwangsläufig noch einmal in den Februar, als die Welt das Wort Beherbergungsverbot noch nicht kannte. Damals verkündete Michael Spatz, dass er nach dieser Saison aufhören werde. Großwallstadts Rechtsaußen ließ ausrichten, dass er, die prägende Figur des TVG in den vergangenen Jahren, genug habe vom Handball. In Großwallstadt wussten sie, dass Spatz' Karriereende die Mannschaft vor eine Herausforderung stellen würde. Alleine durch seine Position war Spatz zwar nicht im Zentrum des Spiels zu finden, er war aber, wie Bader es vor der Saison formulierte, "für viele ein Anker". Die Spieler wussten ja: Wenn's heikel wird, schmeißen wir den Ball einfach nach rechts, da draußen wartet der alte Mann, und der wird es dann schon regeln.

Tatsächlich regelte er es meistens, jetzt aber ist dieser Spatz nicht mehr da. Mit 37 hat er Schluss gemacht, und Großwallstadt steht nach den ersten drei Spielen mit 2:4 Punkten da. Das alleine ist zwar noch lange kein Grund, nervös zu werden, schließlich ist die Saison noch jung - Bader aber sagt: "Das große Problem ist: Das, was einmal gut klappt, klappt beim nächsten Mal nicht mehr so gut. Mal haben wir eine schlechte Phase im Angriff, mal in der Abwehr. Darauf kann ich mir noch keinen Reim machen." Der Fehlstart stellt den TVG vor ein Rätsel. Mal krankt es hieran, mal krankt es daran. Das hat auch mit Spatz zu tun, dem Anker, der jetzt fehlt.

Am Samstagabend stand Spatz übrigens auch auf dem Spielberichtsbogen, allerdings nicht an der Stelle, an der er zeit seiner Karriere stets zu finden war. Sein Name tauchte ziemlich weit unten auf, unterhalb des Kaders, dort, wo die Funktionäre aufgeführt werden. Spatz, die prägende Figur in den vergangenen Jahren, ist jetzt Teammanager.

© SZ vom 19.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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