Handball:Warnung im Baustellenbereich

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Treffsicher in der Niederlage: David Schmidt ist beim 30:32 gegen Portugal in Düsseldorf vier Mal erfolgreich. (Foto: Marius Becker/dpa)

Die Handball-Nationalmannschaft wähnt sich nach dem Umbruch auf dem richtigen Weg - wobei es hier und da noch ein wenig scheppert.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

In der Interview-Zone, in der die deutschen Handballer nach ihrer 30:32 (17:17)-Niederlage am Sonntag gegen Portugal vor den Reportern Auskünfte zu den persönlichen Eindrücken aus dem soeben beendeten Länderspiel gaben, hing ein Schild an der Mauer, auf dem stand: "Baustellenbereich". Helm, Arbeitsschuhe und Schutzkleidung waren darunter symbolisch angewiesen. Die Handballer und ihr Bundestrainer Alfred Gislason trugen allerdings nichts davon.

Das Schild dient den latenten Umbauarbeiten in der Mehrzweckarena, normalerweise spielt die Düsseldorfer EG hier Eishockey. Am Sonntag war in dem Dome im Norden der Stadt nun der "Tag des Handballs" vom Deutschen Handball-Bund ausgerufen. Und sogar dazu passte das Warnschild. Die Nationalmannschaft befindet sich zwei Monate vor der Europameisterschaft in Ungarn und der Slowakei ja ebenfalls in einer Art renovierungsbedürftigen Zone. Gislason versucht das Flaggschiff des deutschen Handballs gerade zukunftssicher zu machen, sieben Spieler gaben am Sonntag ihre Länderspiel-Heimpremiere, angeführt vom neuen Kapitän Johannes Golla. Und wie das mit sportiven Umbauprojekten so ist: In der Gegenwart kann es schon mal ein bisschen scheppern.

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Inmitten der Zukunftspräsentation des deutschen Handballs war es in Düsseldorf erst einmal an der Zeit, Abschied zu nehmen. In der Pause wurden auf dem Parkett der langjährige Kapitän Uwe Gensheimer und der stete Brandungsfels Steffen Weinhold verabschiedet. Mit Blumen in den Händen schlossen sie ein relevantes Kapitel ihrer Karriere, während ihre Nachfolger im Stehen applaudierten. Abschiede sind oft eine wehmütige Angelegenheit, aber sie öffnen auch Türen für Neues. Denkmalschutz gibt es im aktiven Leistungssport nun mal nicht.

Im deutschen Handball stehen die Zeichen also auf Erneuerung, und so war die Stimmung trotz des kleinen, unbedeutenden Rückschlags am Sonntag von Vorfreude geprägt. Nach dem 30:28 (18:13)-Sieg gegen dieselben Portugiesen 43 Stunden zuvor in Luxemburg - anlässlich des 75. Gründungstag des dortigen Handball-Verbandes - war im deutschen Team fast schon ein bisschen übertrieben von Spaß und Freude die Rede gewesen. Aber gut: Noch wichtiger als Siege in Testspielen erscheint zurzeit die kollektive Aufbruchstimmung zu sein.

Manch einer steht bei seinem Debüt wie berauscht Arm in Arm mit den Kameraden

"Das macht Lust auf mehr", hatte etwa der Kapitän Golla gesagt. "Man hat schon sehr viel Spielfreude gesehen", fand der Trainer Gislason, "alle hatten offensichtlich großen Spaß, sich für Deutschland zu präsentieren." Der Debütant Joel Birlehm, ein Torwart aus Leipzig, fasste die Freudegefühle noch einmal zusammen, indem er beschrieb: "Wir haben im Training Spaß und wir haben außerhalb des Trainings Spaß, weil es eine super Truppe ist."

Die neuen Protagonisten wurden wohl auch deshalb nicht müde, ihren Überschwang zu betonen, weil das einigen ihrer Vorgänger zuletzt nicht mehr immer so ergangen war. Immer häufiger musste Gislason Absagen von gestandenen Nationalspielern hinnehmen, deren selbst erwählte Auszeit er nicht einmal infrage stellen konnte, weil es über die Überbelastung deutscher Handballprofis ja einen branchenweiten Konsens gibt.

Dass im deutschen Männerteam nun von einem radikalen Umbruch die Rede ist, hat jedenfalls auch damit zu tun. "Wir brauchen nach der einen oder anderen Absage mehr Breite", so sieht Gislason das. Vielen jungen und erstmals Berufenen gefällt diese Gelegenheit. Sie kommen in den Genuss, das Nationaltrikot zu tragen und zum erhabenen Klang der Nationalhymne live im TV zu sehen zu sein. So stand am Freitagabend beim Debüt mancher wie berauscht Arm in Arm mit den Kameraden. Solche Überwältigung kann der Leistung zuträglich sein. Neue Spieler - neuer Schwung. "Es hat Mega-Spaß gemacht", sagte der Ludwigshafener Zweitliga-Handballer Hendrik Wagner nach seinem Länderspieldebüt.

"Das ist genau das, was wir uns erhoffen", findet auch Axel Kromer, der Sportvorstand des Deutschen Handball-Bundes: "Begeisterung, Spielfreude und Mut - das macht uns zuversichtlich für die Zukunft." Selten sieht man in einem Baustellenbereich mal solch erfrischend gute Laune. Diese müssen die deutschen Handballer jetzt nur noch bis zur EM konservieren.

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