Handball-Nationalmannschaft:"Wir meinen das ernst"

Johannes Golla neuer Kapitän

Der neue Kapitän des deutschen Handball-Nationalteams Johannes Golla soll nicht nur auf dem Feld mit gutem Beispiel bestechen.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Ohne Gensheimer, Wolff, Weinhold: Die deutschen Handballer haben ihren Kader stark überarbeitet. Bundestrainer Gislason ist etwas anderes wichtiger als die Favoritenrolle bei der EM im Januar.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Wer nicht glauben will, dass die Handball-Nationalmannschaft ohne so namhafte Spieler wie Andreas Wolff, Uwe Gensheimer, Steffen Weinhold, Julius Kühn oder Kai Häfner in die EM im Januar ziehen wird, und darüber hinaus auch 2024 die Heim-EM sowie das Olympia-Turnier ohne derartige Prominenz bestreiten will - für all diejenigen sagt Axel Kromer, der Sportvorstand des Deutschen Handball-Bunds im geradezu strengen Ton: "Wir meinen das ernst. Wir planen einen echten Umbruch."

Wie die Nationalmannschaft der Zukunft aussehen könnte, durfte das deutsche Handballpublikum am Freitagabend beobachten, als es einen 30:28 (18:13)-Sieg der gegen Portugal gab. Schon am Sonntag in Düsseldorf geht es noch einmal gegen den EM-Sechsten (15 Uhr, zdfsport.de). Nur noch fünf Spieler aus dem olympischen Viertelfinale von Tokio (26:31 gegen Ägypten) sind beim deutschen Team momentan dabei. An einige der neuen Namen muss sich eine breitere Öffentlichkeit also erst einmal gewöhnen.

Der neue Kapitän Johannes Golla könne die Fußstapfen seines Vorgängers hervorragend ausfüllen - dank der imposanten Schuhgröße

Da wären zum Beispiel die Zweitliga-Spieler Julian Köster (21, linker Rückraum) aus Gummersbach und Hendrik Wagner (24, linker Rückraum) aus Ludwigshafen. Gislason macht dafür, bei aller Begabung der Jungen, auch einen weiteren Umstand geltend: "Es ist ein Problem, dass die Handball-Bundesliga so stark ist", sagt er. Leistungsträger seien dort viele ältere Spieler; für jüngere gebe es weniger Gestaltungsraum. Als er sich zuletzt nach den künftigen Nationalspielern umschaute, so Gislason, sei der Blick deshalb auch in die zweite Liga geschweift. Köster hält er für ein "Riesentalent". Und Wagner habe mit Ludwigshafen ja schon in der Bundesliga gespielt, ehe das Team in die Zweitklassigkeit rutschte.

Insgesamt sieben Debütanten hat der Bundestrainer für die beiden Länderspiele nominiert. Neben den Zweitliga-Kräften sind dies der zentrale Rückraumspieler Luca Witzke (22, Leipzig), der Linksaußen Lukas Mertens (25, Magdeburg), der Rechtsaußen Lukas Zerbe (25, Lemgo), der vormals für Stuttgart spielende rechte Rückraummann Djibril M'Bengue, 29, vom FC Porto und der Torwart Joel Birlehm (24, Leipzig), der 2023 wohl zu den Rhein-Neckar-Löwen nach Mannheim wechseln wird. Die Zweitligaspieler Köster und Wagner, davon darf man ausgehen, werden auch nicht mehr lange in der zweiten Liga spielen - so oder so.

Kromer ist es im Lichte des betont ernst gemeinten Umbruchs wichtig zu erwähnen, dass man von den arrivierten Spielern "niemanden abstrafen", sondern den Kreis der Nationalspieler grundlegend erweitern wollte: "Es geht nicht einfach nur darum, Belastung zu verteilen." Der Bundestrainer Gislason begründet die Erweiterung des personellen Horizonts auch damit, dass "wir nach der einen oder anderen Absage etablierter Spieler mehr Breite brauchen".

Noch eine frohe Botschaft vom Bundestrainer: "Alle sind begeistert bei der Sache"

Für die EM im Januar in der Slowakei bedeutet der aktuelle, nach gravierendem Neubeginn riechende Kader nicht zwingend, dass man nur auf neues Personal setze. "Es wird natürlich nach Leistung gehen", sagt Gislason. Der Umbruch wird sich trotzdem bemerkbar machen, sonst würde er nicht einräumen: "Wir werden bei der EM nicht gerade zu den Favoriten zählen." Aber: "Wir werden eine schöne Zukunft vor uns haben."

Entscheidend prägen soll diese schöne neue Zeit der Kreisläufer Johannes Golla, 24, von der SG Flensburg-Handewitt: und zwar als neuer Kapitän. Mit den Fußstapfen des Vorgängers Gensheimer, witzelt Sportchef Kromer, werde Golla als "körperlich imposanter Spieler" mit 1,95 Metern und 112 Kilogramm gewiss keine Mühe haben. "Da kann er jegliche Fußspur ausfüllen." Für Gislason war es wichtig, mit Golla einen jungen Kapitän zu ernennen, der die neuen Spieler integrieren kann - und der auch auf dem Feld als Kreisläufer sowohl vorne als auch als Abwehrrecke sehr präsent ist. "Intelligent und eloquent", ergänzt Kromer, sei Golla überdies.

Der so Gelobte war überrascht, als Gislason ihn zuletzt mit dem Kapitänsamt adelte. "Ich habe mir dann überlegt, was mir an meinen Kapitänen in den Vereinen gut gefallen hat", sagt Golla, "und so wünsche ich mir, dass sich jeder in der Nationalmannschaft wohl fühlt und seine Rolle findet." Zuletzt war das Wohlgefühl vielleicht nicht mehr bei allen ausgeprägt. Auch maue Ergebnisse könnten darauf hindeuten. Golla verpackt seine Analyse jedenfalls diplomatisch-zukunftsorientiert: "Alle sollen wieder Lust auf die Nationalmannschaft entwickeln." Und auch der Bundestrainer hatte diesbezüglich eine frohe Botschaft vom Lehrgang in Düsseldorf zu überbringen: "Alle sind begeistert bei der Sache", sagte er.

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