Handball-Krösus THW Kiel:34 Spiele, 34 Siege, null Gegner

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Mit seiner Bundesliga-Saison ohne jeden Punktverlust schafft Triple-Gewinner THW Kiel ein Novum im deutschen Handball. Wer sich nun mit den Kielern über ihre außergewöhnliche Tat freut, muss jedoch bald erkennen: Für den deutschen Handball ist dies ein ziemlich schlechtes Signal.

Carsten Eberts

Natürlich brachte auch der VfL Gummersbach den THW Kiel nicht mehr ins Stolpern. Am Samstagabend um kurz vor 18 Uhr hatten die Kieler auch ihr letztes verbleibendes Saisonspiel in der Handball-Bundesliga gewonnen: 34 Spiele, 34 Siege, so etwas gab es noch nie. Mit gutem Recht konstatierte Kiels Trainer Alfred Gislason anschließend: "Ich denke nicht, dass ich so etwas noch einmal erleben darf."

Jubel in Gold: Kiels Kapitän Marcus Ahlm. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Für die Kieler ist es nicht der Höhepunkt, sondern der Abschluss einer perfekten Saison. Der Höhepunkt, das war zweifelsohne der Champions-League-Triumph vor einer Woche in Köln. Dass eine Mannschaft jedoch ohne Punktverlust deutscher Meister werden kann, ist für die Handball-Bundesliga ein ziemlich schlechtes Signal. Wie kann eine Mannschaft die Konkurrenz so dominieren? Deutschlands erste Handballklasse ist immer noch die beste Liga der Welt, hier treffen sich die meisten Nationalspieler, werden die üppigsten Gehälter gezahlt. Wie kann eine Mannschaft so viel besser sein als der Rest? Warum hinkt die SG Flensburg-Handewitt, am Ende einer für den Klub außerordentlich positiven Saison, als der bester Konkurrent elf Punkte hinterher?

Natürlich profitiert der THW von seiner finanziellen Ausnahmestellung, die er sich über Jahre erwirtschaftet hat: Kiel hat mehr Geld als jeder andere Konkurrent. Jedoch machen die Kieler auch verdammt viel richtig. Während der HSV Hamburg, das andere nationale Schwergewicht, gerade schmerzvoll erfährt, wie es ist, wenn tragende Säulen einer erfolgreichen Mannschaft wegbrechen, sorgen die Kieler rechtzeitig vor. Schon jetzt ist klar, dass Klassetorwart Thierry Omeyer den Verein im Sommer 2013 verlassen wird. Schon jetzt hat sich der THW deshalb Ersatz organisiert: 2013 kommt für ihn der schwedische Nationalkeeper Johan Sjöstrand. Der Umbruch soll, wenn überhaupt, möglichst sanft ausfallen.

Langweilige Jahre drohen

Die Hamburger haben nicht vorgesorgt, das ist die Lehre, die der Klub aus dieser enttäuschenden Spielzeit ziehen muss. In ihrer Gier, den THW endlich einzuholen, haben sie ihre Mannschaft überaltern lassen, keinen Unterbau für ihre Leistungsträger herangezogen, hatten zudem Pech mit einem Trainerwechsel. In dieser Spielzeit brachen sie ein. Für die Liga ist das hart: Sie hatte gerade gehofft, dass dem THW ein ebenbürtiger Konkurrent erwachsen ist. Nun dürfte es Jahre dauern, bis der HSV die Kieler wieder ernsthaft fordern kann.

Der Bundesliga drohen damit erneut langweilige Jahre. Ähnlich wie zwischen 2005 und 2010, als der THW sechsmal in Serie Meister wurde. Der HSV muss sich zunächst vom Abschied seiner stilprägenden Topleute erholen, die Rhein-Neckar Löwen bekommen den schrittweisen Rückzug von Geldgeber Jesper Nilsen zu spüren und müssen den Angriff auf die nationale Spitze vorerst abbrechen. Flensburg ist zwar auf einem guten Weg und möchte bald wieder oben mitspielen. Der Angriff auf Platz eins kommt dennoch ein paar Jahre zu früh.

Bleiben die Füchse Berlin, die sich nach wie vor in kleinen, nie maßlosen Schritten nach oben arbeiten. Im vergangenen Jahr gelang der erste Erfolg über den THW, in diesem Jahr der erste Einzug ins Champions-League-Final-Four (auch wenn dies auf Platz vier endete). Wer auf spannende Handballspielzeiten hofft, muss zwangsläufig auf die Füchse setzen. Doch wird das den Berlinern gerecht? Wohl kaum. In die gerade beendete Saison ging der THW mit einem Etat von 9,5 Millionen Euro, der Etat der Füchse lag fast fünf Millionen darunter. Diesen Rückstand wird Berlin nicht binnen Jahresfrist aufholen. Ein Sieg gegen Kiel, der ist allemal drin. Der würde der Liga zwar ein erneutes deprimierendes Szenario wie in dieser Spielzeit ersparen. Doch ob Kiel mit zwei, drei oder fünf Verlustpunkten vorneweg marschiert, ist letztlich auch egal.

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