Handball:Kleine Chance

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Christoph Steinert. (Foto: imago/Zink)

Erlangens Christoph Steinert ist für den vorläufigen Nationalmannschaftskader für die Weltmeisterschaft nominiert.

Von Sebastian Leisgang

Christoph Steinert musste gar nicht erst rätseln, wer da in der Leitung war. Er hatte die Nummer eingespeichert, deshalb war ihm auf Anhieb klar, wer ihn an diesem Sonntagabend davon abhielt, sich vorbehaltlos dem Straßenverkehr zu widmen. Und weil Steinert ahnte, dass ihm der Anrufer nicht nur zum Sieg gegen den TVB Stuttgart gratulieren wollte, ging der Rückraumspieler des HC Erlangen ans Telefon. Steinert hat dann übrigens keinen Unfall gebaut oder eine rote Ampel überfahren, er hat nicht die Fassung verloren - obwohl der Mann am anderen Ende der Leitung der Bundestrainer war.

Christoph Steinert, 28, hat schon in Leipzig und Magdeburg unter Christian Prokop gespielt und sich in dieser Zeit wahrscheinlich ebenso häufig mit ihm ausgetauscht wie er schon Auto gefahren ist. Und doch war es dieses Mal irgendwie anders. Es war kein alltägliches Gespräch zwischen einem Spieler und einem Trainer. Denn Prokop sagte Steinert, dass er zum vorläufigen Aufgebot für die Weltmeisterschaft zählt. Es könnte also sein, dass der Erlanger im Januar bei der Endrunde im eigenen Land für die deutsche Nationalmannschaft spielt. Die Betonung liegt allerdings auf: könnte.

"Christian Prokop hat mir gesagt, dass es eine taktische Nominierung ist", verrät Steinert, schließlich hat er unter dem heutigen Bundestrainer in Leipzig und Magdeburg nicht nur im Rückraum gespielt, sondern auch als Rechtsaußen, "und das ist jetzt vielleicht auch eine Option", sagt Steinert. Mit Tobias Reichmann und Patrick Groetzki sind nur zwei Spieler für den Flügel berufen worden. Grundsätzlich glaubt er aber: "Es ist wahrscheinlich eine kleine Chance, am Ende wirklich bei der WM dabei zu sein."

Steinert ist realistisch. Wenn er nicht gerade zu einem Wurf ansetzt, ist er mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben. Er weiß, dass er am Ende der Planungskette steht, denn seine Mitstreiter im rechten Rückraum haben es in sich: Steffen Weinhold, Franz Semper, Kai Häfner und Fabian Wiede - diese Namen sind der Grund, warum er selbst im Konjunktiv spricht, wenn er sich zur bevorstehenden WM äußert. Andererseits ist es auch keine Laune der Natur, dass Steinert im Kader auftaucht, sondern vielmehr ein Dokument seiner stetigen Entwicklung. Auch er selbst findet: "Die Nominierung zeigt, dass die letzten eineinhalb Jahre für mich ganz gut gelaufen sind."

Steinert hat auch schon vor seiner Zeit in Erlangen ab und zu mal das Tor getroffen, beim HCE aber einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Er beherrscht inzwischen nicht nur seine Paradedisziplin, Würfe aus der zweiten Reihe, sondern die gesamte Klaviatur des Spiels. Wenn die Brechstange keinen Erfolg verspricht, setzt er die Außenspieler mit klugen Pässen in Szene - und er trifft zuverlässig vom Siebenmeterstrich. All das hat Prokop letztlich bewogen, sich nach langer Zeit mal wieder bei Steinert zu melden und sich dann eben nicht bloß zu erkundigen, wie es ihm in Erlangen ergeht und was es Neues gibt.

Natürlich habe ihn der Anruf des Bundestrainers sehr gefreut, meint Steinert, wirft in diesem Zuge aber auch den Namen Nicolai Theilinger in den Raum. "Ich habe ja nur deshalb so oft gespielt, weil Theile so oft verletzt ist", sagt Steinert über seinen Erlanger Teamkollegen, der sich derzeit nach einem Syndesmoseriss im Aufbautraining befindet. Fast wirkt es so, als würde sich Steinert für dessen Verletzungen verantwortlich fühlen, als er sagt: "Es tut mir wirklich leid für ihn. Er ist so ein guter Junge." Das ist Theilinger tatsächlich, und er hat ihm auch schon etwas voraus: Er darf sich seit März des vergangenen Jahres Nationalspieler nennen. Aber Steinert darf das bald vielleicht auch.

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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