Handball:In den Süden, zur Sonne

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In bester Stimmung: Kapitän Uwe Gensheimer (links) gratuliert Antonio Metzner zu dessen gelungenem Länderspiel-Debüt - der Erlanger war mit fünf Toren erfolgreichster Schütze beim 34:20 gegen Österreich. (Foto: Marius Becker/dpa)

Die letzten Tests bestanden, die jüngste Debatte abgehakt, die Zuschauer aus den Hallen gebannt: Aller Sorgen ledig und guten Mutes fliegt die deutsche Auswahl zur WM nach Ägypten.

Von Joachim Mölter, Köln/München

Der Montag war Packtag bei der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB). Die Trainer sortierten Unterlagen und Laptops ein, die Physiotherapeuten stopften Massageöl und Klebeverbände in die Taschen, die Spieler verstauten Dartscheiben und Gesellschaftsspiele und vielleicht auch die eine oder andere Badehose, vorsichtshalber. Es sollte ja in den Süden gehen, hin zur Sonne, das Ziel: Ägypten, wo am Mittwoch die Weltmeisterschaft beginnt und für den Spielort der Deutschen nahe Kairo Sonnenschein und angenehme Temperaturen um die zwanzig Grad angekündigt sind. Hurra! Nichts wie weg aus dem frostig-trüben Deutschland!!

Bei ihrem Charterflug von Düsseldorf aus wird die deutsche Auswahl begleitet vom österreichischen Team, das ebenfalls bei der WM mitmachen darf. In den vergangenen Tagen standen sich die Spieler noch in Graz und Köln auf dem Parkett gegenüber. Nach dem 36:27 am Mittwoch machte die DHB-Auswahl am Sonntag mit einem 34:20 (19:5) eher so nebenbei die Teilnahme für die in Ungarn und der Slowakei geplante EM 2022 perfekt, vorzeitig, bei zwei noch ausstehenden Vergleichen. In erster Linie galten die beiden Qualifikationspartien als Generalprobe für die WM, und dass die so prima klappte, hat die Stimmung der DHB-Reisegesellschaft noch einmal deutlich gehoben.

"Man freut sich jetzt, dass es losgeht", sagt Kai Häfner

Als das Team vor einer Woche zusammenkam, "da hatte ich schon einige Sorgenfalten auf der Stirn", gestand Kapitän Uwe Gensheimer am Sonntag. Wegen diverser Absagen hat der Bundestrainer Alfred Gislason etliche neue Spieler berufen (am Montag nominierte er noch Rückraumspieler Lukas Stutzke und strich Christian Dissinger aus dem Kader) und vor allem ein neues Abwehrzentrum zusammenbasteln müssen. "Am Anfang hat noch nicht so viel zusammengepasst", erinnerte sich Gensheimer. "Wenn man die ersten Trainingseinheiten sieht, dann hat sich die Mannschaft schon sehr, sehr gut entwickelt", fand Kai Häfner, einer der fünf verbliebenen Europameister von 2016. Der junge Spielgestalter Marian Michalczik resümierte: "Wir haben zweimal deutlich gewonnen, das gibt Selbstvertrauen, und das nehmen wir auch mit ins Turnier."

Dass die DHB-Auswahl guten Mutes zur WM fliegt, liegt vor allem daran, dass die Defensive um den neuen Mittelblock mit Johannes Golla und dem Neuling Sebastian Firnhaber stabiler stand, als zu erwarten gewesen war. "Was wir heute an Abwehr gespielt haben, war fantastisch", schwärmte Torwart Andreas Wolff, nachdem er am Sonntag in der ersten Halbzeit bloß fünf Gegentreffer hatte hinnehmen müssen. "Die Abwehr funktioniert immer besser", fand auch Gislason, der den deutlichen Vorsprung nutzte, um in der zweiten Halbzeit noch etwas zu experimentieren.

Zwar wandte der DHB-Sportvorstand Axel Kromer ein: "Die Österreicher sind derzeit nicht in der Lage, uns die Aufgaben zu stellen, die uns bei der WM erwarten." Aber von solchen Bedenken wollten sich die deutschen Handballer die Laune nicht verderben lassen, genauso wenig wie von den dauernden Debatten, die weiter rund um die WM-Teilnahme schwelen. Am Montag hatte das Sportmagazin Kicker noch ein Interview mit Torwart Andreas Wolff veröffentlicht, in dem dessen Kritik an den Corona-bedingten WM-Absagen einiger Nationalspieler wiederholt wurde. Das Gespräch war jedoch geführt und produziert worden, ehe Wolff selbst das Thema am Sonntag für beendet erklärte. Bundestrainer Gislason hatte es sowieso genervt, und die übrigen Spieler hatten auch keine Lust mehr, sich damit zu beschäftigen. Die wollen endlich in den Süden, in die Sonne. "Man freut sich jetzt, dass es losgeht", bekräftigte Häfner.

Nachdem noch während der Partie am Sonntagabend die Nachricht eintraf, dass der Weltverband IHF bei dem erstmals mit 32 Mannschaften ausgetragenen Turnier doch keine Zuschauer in die Hallen lassen will, so wie es die Kapitäne der 14 europäischen Teilnehmer-Teams in einem offenen Brief gefordert hatten, waren die deutschen Handballer endgültig aller Sorgen ledig. "Jetzt herrscht Klarheit, die Ruhe reinbringt", sagte Sportvorstand Kromer erleichtert. "Ich finde es schön, dass die IHF so entschieden hat", stimmte Bundestrainer Gislason zu: "Das macht die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Blase hält."

Das Hygienekonzept der IHF für das Turnier sieht ja vor, dass die Teams wie in einer Blase von der Außenwelt abgeschottet werden, um Infektionen mit dem Coronavirus zu vermeiden. "Wir werden keine Experimente wagen", versichert Axel Kromer. Ein durchaus möglicher Ausflug zu den Pyramiden, die vom Hotel aus zu sehen und fußläufig zu erreichen sind, ist jedenfalls nicht geplant, nicht einmal ein Kurztrip zum Swimming Pool. Dass sich die Spieler in der Badehose auf die Zimmerterrasse legen, ist aber erlaubt.

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