Handball-Halbfinals:Der unglaubliche Vincent Gérard

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Kommt im Sommer nach Kiel: der Franzose Vincent Gérard. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Frankreichs Torwart hat im Halbfinale gegen Ägypten, was den Deutschen im Viertelfinale fehlte: eine brillante Abwehr vor sich. Das treibt ihn zu einer unglaublichen Quote und sichert Frankreich das Finale gegen Dänemark.

Von Claudio Catuogno, Tokio

Ein Handballtorwart kann nicht glänzen ohne eine Abwehr vor sich, die ihn glänzen lässt. Wenn ihm aus kurzer Distanz ein Ball nach dem anderen um die Ohren geworfen wird, kann er seine Arme bis an die Hallendecke ausfahren und seine Beine in den verrücktesten Winkeln abklappen, es wird nichts helfen. Davon konnte Andreas Wolff nach dem Viertelfinale der Deutschen gegen Ägypten (26:31) erzählen: Die Blocks standen nicht, es gab zu viele Gegenstöße, Lücken taten sich auf - am Ende konnte Wolff nur zwölf Prozent der Würfe halten, die auf sein Tor abgefeuert wurden, drei von 25. Wolffs Kollege Johannes Bitter hielt elf Prozent. Egal, wer im Tor stand: Der Druck der Ägypter auf die deutsche Abwehr war einfach zu stark.

Der Druck der Ägypter war am Donnerstag auch im Halbfinale gegen Frankreich enorm. Wie schon gegen die Deutschen erspielten sie sich früh einen Vorsprung: 5:1 nach sieben Minuten. Aber dann trat Vincent Gérard, 34, in die Szenerie, der Torwart von Paris Saint-Germain. Er zauberte im Yoyogi National Stadium Parade um Parade aufs Parkett - und sicherte den Franzosen ihr viertes Olympia-Finale hintereinander. Am Samstag geht es gegen Dänemark um den Olympiasieg. 2008 und 2012 hatten die Franzosen Gold geholt, 2016 Silber, eine bemerkenswerte Serie. Am Donnerstag fiel ihr 27:23 (13:13)-Erfolg gegen Ägypten letztlich sogar recht deutlich aus.

Der dreimalige Welthandballer Mikkel Hansen glänzt mit zwölf Toren

"Auf diesem Niveau eines Wettbewerbs sind die Torhüter immer wichtig und oft entscheidend", sagte Frankreichs Trainer Guillaume Gille hinterher. "Zusammen mit einer Abwehr, die riesiges Engagement gezeigt hat, waren bei Vincent heute exzellente Rettungstaten dabei." Seine für ein Olympia-Halbfinale außergewöhnliche Erfolgsquote betrug 44 Prozent. 39 Würfe aufs Tor, 17 davon pariert. Von der "Mauer Vincent Gérard", schrieb die französische Sportzeitung L'Équipe. Aber 44 Prozent, das ist nur eine Zahl, die noch nicht die Arbeit der Abwehr vor dem Torwart beschreibt: Die Franzosen zwangen die Ägypter zu Verzweiflungswürfen, zu Würfen von weit draußen, zu Würfen aus großer Distanz. Das machte letztlich den Unterschied aus. Beste Torschützen waren Dika Mem und Hugo Descat mit je fünf Treffern. Nikola Karabatic, der in Tokio an seinen fünften Olympischen Spielen teilnimmt, traf vier Mal.

Im zweiten Halbfinale stand dann Niklas Landin, 32, der Torhüter des THW Kiel, für die Dänen zwischen den Pfosten. Gonzalo Pérez de Vargas, 30, vom FC Barcelona bewachte das Tor des Gegners Spanien. Landin hielt 38 Prozent, Pérez de Vargas 33 Prozent der auf ihr Tor abgegebenen Würfe. Kein Wunder: Eine gute abgestimmte Abwehr ist die Philosophie beider Spitzenteams. So entschieden dieses Halbfinale letztlich die Werfer mit 27:23 (14:10) für Dänemark. Herausragend, mal wieder: der dreimalige Welthandballer Mikkel Hansen mit zwölf Treffern (davon fünf Siebenmeter). Das Duell des Dänen Hansen gegen den Franzosen Gérard dürfte auch das Finale am Samstag prägen.

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