Handball-EM: Deutschland verliert:Drei furchtbare Minuten

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Die deutschen Handballer verlieren ihr erstes EM-Spiel gegen Polen - und stehen schon jetzt mächtig unter Druck. Der Grund: Eine unerklärliche Schwächephase.

Am Ende einer Partie, in der um jedes Tor so hart gerungen worden war, führten beide Mannschaften plötzlich ein Wettwerfen auf. Immer wieder kamen die deutschen Handballer auf zwei Tore heran, immer wieder trafen anschließend die Polen. Auf das letzte deutsche Tor mussten die Polen nicht mehr antworten: Das Spiel war vorbei, 25:27 (8:12) unterlag die deutsche Auswahl in ihren ersten Spiel der EM in Österreich und steht vor den beiden Begegnungen gegen Slowenien und Schweden bereits mächtig unter Druck.

Kein Durchkommen Ende der ersten Halbzeit: Christoph Theuerkauf (rechts) scheitert an Michal Jurecki. (Foto: Foto: Getty)

Die Deutschen hatten die Partie mit den üblichen Ritualen begonnen, wozu gehört, dass Torwart Johannes Bitter dem Abwehrchef Oliver Roggisch einige Male mit voller Wucht auf die Brust schlägt. Bei Menschen, die nicht Oliver Roggisch sind, würde diese Behandlung einige Empörung hervorrufen, Roggisch quittierte sie zufrieden und umarmte Bitter mit Wucht. Das machen die beiden seit Jahren so, es ist ihre Art, sich auf die Härten eines internationalen Handballspiels einzustimmen.

Wenta tobt an der Linie

Am Dienstagabend schien diese Art der Einstimmung sogar angemessen zu sein, denn es war eine überaus körperbetonte Partie. Die Polen verteidigten mit Leidenschaft, stets angetrieben von ihrem Trainer Bogdan Wenta, der bereits nach vier Minuten die Seitenlinie entlangtobte, als tropften gerade die letzten Sekunden des Endspiels von der Uhr. Die Deutschen reagierten ihrerseits mit Kraft in der Abwehr, was dazu führte, dass zunächst sehr wenige Tore fielen.

Bundestrainer Heiner Brand hatte sich für seine Anfangsformation einige Überraschungen ausgedacht. Er ließ Michael Haaß anstelle von Kapitän Michael Kraus auf der Mittelposition beginnen, zudem brachte er Christoph Theuerkauf am Kreis und Stefan Schröder auf Rechtsaußen. Das war ein immerhin interessanter Plan, von dem Brand Stück für Stück abließ. In der Offensive brachten die Deutschen wenig Konstruktives zustande, vor allen Dingen gelang es ihnen nicht, Bewegung in die polnische Abwehr zu bringen und so Platz für die Rückraumwerfer Holger Glandorf und Lars Kaufmann zu schaffen.

Dann verloren sie den Faden

Brand reagierte, er beorderte Kapitän Kraus nach einer Viertelstunde auf die Mitte und Kreisläufer Manuel Späth rückte an den Kreis und in die Abwehr. Zunächst sahen die Aktionen der Mannschaft etwas besser aus, Kraus warf gleich ein Tor, Späth brachte noch mehr Stabilität in die Abwehr. Die Partie war intensiv, stets eng und weiterhin torarm. 8:8 stand es nach knapp 27 Minuten, ein ungewöhnliches Ergebnis im Handball. Und dann verloren die Deutschen vollkommen den Faden.

Innerhalb von drei Minuten kassierten sie vier Tore, davon drei in Überzahl, 8:12 stand es zur Halbzeit. Es war eine erstaunliche Serie, vollkommen verunsichert wirkte die deutsche Auswahl plötzlich. Der polnische Rückraumwerfer Karol Bielecki, dem zuvor nichts gelungen war, traf dreimal hintereinander, zuletzt fünf Sekunden vor Schluss aus zehn Metern Entfernung, bestaunt von einer deutschen Abwehr, die vergessen zu haben schien, wie dieser Sport namens Handball funktioniert. Es war ein unerklärlicher Aussetzer wie man ihn äußerst selten sieht im Profisport.

Brand wechselt und wechselt

Handballspiele zwischen im wesentlichen gleichwertigen Mannschaften werden grundsätzlich nicht früh entschieden, da das Spielglück sich jederzeit wenden kann. Diese Phase am Ende der ersten Halbzeit war aber mindestens vorentscheidend, denn sie brannte sich in die Köpfe der jungen Mannschaft von Heiner Brand ein. Das war in der zweiten Halbzeit zu sehen, als die Polen schwach begannen, die Deutschen aber mehrere Chancen vergaben, den Rückstand zu verkürzen. Nach knapp 45 Minuten stand es 12:18. Wie sollte die verunsicherte Mannschaft das aufholen?

Zwar gelangen den Deutschen zwei schnelle Tore, doch rasch handelten sie sich einen Siebenmeter und eine Zwei-Minuten-Strafe ein, so dass keine neue Dynamik ins Spiel kam - zumindest keine, die den bisherigen Verlauf geändert hätte. Brand wechselte und wechselte, und endlich, als es auf das Ende des Spiels zuging, fand er eine Formation, die wirklich überzeugte.

Fünf Minuten vor Schluss waren die Deutschen bis auf zwei Tore (20:22) herangerückt, doch die Polen behielten die Nerven, sie brachten den Vorsprung ins Ziel - den Vorsprung, den sie sich in den drei Minuten erspielt hatten, als die Deutschen das Mitspielen vergaßen.

© SZ vom 20.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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