Handball:Ein Leben nach dem Turnier

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Wurffreudiger WM-Zweiter: Erlangens Norweger Petter Overby. (Foto: imago/Zink)

Erlangens Bundesliga-Handballer rätseln noch, ob sie von der Weltmeisterschaft profitieren werden. Beim 25:29 gegen den TSV GWD Minden bleiben zu viele Torchancen ungenutzt.

Von Sebastian Leisgang

René Selke wird seine Garderobe nicht überdenken. Er wird auch in Zukunft ein weißes Hemd und ein feines Sakko aus dem Schrank holen, wenn er sich am Morgen eines Spieltags einkleidet. Der Geschäftsführer des HC Erlangen wird also eher nicht in jenen schrillen Pullovern anzutreffen sein, die Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB), während der Weltmeisterschaft getragen hat. "Ich werde andere Marketingtools nutzen, um Aufmerksamkeit zu erlangen", sagt Selke und lacht.

Selke, 34, steht auf dem blauen Hallenboden der Nürnberger Arena und beantwortet noch ein paar Fragen: etwa, warum Erlangen beim vorangegangenen 25:29 (10:14) gegen den TSV GWD Minden vor und nach der Halbzeit zu viele Torchancen ausgelassen hat. Und warum es dann nicht mehr zu einer Aufholjagd gekommen und der Jahresauftakt in der Bundesliga deshalb misslungen ist. Dann geht es auch um die WM und die Frage: Was bleibt von diesem rauschhaften Turnier, bei dem den Leuten klar geworden ist, dass ein Spiel nicht immer 90 Minuten dauert?

Selke lächelt, wie er das meistens tut, wenn er über die Lage des Handballs spricht. Dann sagt er: "Die Nachhaltigkeit wird jetzt schon eine größere sein, als es noch 2007 war - weil sowohl die Vereine als auch der DHB personell besser aufgestellt sind. Viele wichtige Positionen in der Vermarktung sind mit Vollzeitstellen besetzt." Mit einem signifikanten Fortschritt ist dennoch nicht zu rechnen. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Zu allgegenwärtig ist der Fußball.

Vielleicht muss man sich das Phänomen der WM wie eine neue Liebe vorstellen. Vielleicht ist die Beziehung der Deutschen zum Handball nun also in einer Phase, in der die Schmetterlinge wieder ausgeflogen sind. In einer Phase, in der sich erst zeigt, ob die Beziehung überhaupt alltagstauglich ist. 5112 Zuschauer sehen an diesem Sonntagnachmittag den Erlanger Jahresauftakt in der Nürnberger Halle - etwa 1000 mehr, als im Schnitt zu den ersten neun Heimspielen des HCE gekommen sind. Ein Indiz, dass die WM vielleicht doch etwas hinterlassen hat? Oder bloß eine Zahl, die auf die lange Winterpause und die Erlanger Erfolge vor dem Jahreswechsel zurückzuführen ist? "Das werden wir sehen", sagt Selke. Er weiß, dass Handball inzwischen wieder die zweite, vielleicht dritte Geige spielt. "Man stellt sich das immer zu leicht vor: dass man irgendeine Aktion fährt und auf einmal rennen dir die Leute die Bude ein", sagt Selke. Es gebe nicht "die eine goldene Maßnahme", um Handball groß zu machen, man müsse dauerhaft offen, nahbar und ehrlich sein.

So zeigte sich der Handball schließlich auch während des Turniers. Und auch darauf fußte die Begeisterung der Massen, die es so nur einmal zuvor gegeben hatte: vor zwölf Jahren, als die Nationalmannschaft den Titel gewann. Erlangens Rückraumspieler Michael Haaß war Teil dieses Erfolgs. Er hat die Euphorie kommen und gehen sehen. Nun hat auch er die Hoffnung, "dass die Begeisterung länger anhält, dass mehr Kinder zum Handball kommen".

Als der norwegische WM-Zweite Petter Overby an diesem Sonntagnachmittag kurz vor Spielbeginn den blauen Hallenboden der Nürnberger Arena betritt, jubeln die Fans etwas frenetischer als sonst. Und als dem Kreisläufer nach knapp zehn Minuten der erste seiner drei Treffer gelingt, wird es auch etwas lauter. Offen ist nur, wie es in knapp zwei Wochen sein wird - wenn die WM länger zurückliegt und Erlangen im zweiten Heimspiel des Jahres auf den Bergischen HC trifft. Klar ist zumindest: Selke wird ein weißes Hemd und ein Sakko tragen.

© SZ vom 11.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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